„Die müssen wir zurückholen“

Dass sich Arbeitslose nicht mehr in der SPD wiederfinden können, ist laut Alt-Bürgermeister Klaus Wedemeier Folge von zwölf Jahren großer Koalition – und Ursache fürs schlechte Wahl-Ergebnis

KLAUS WEDEMEIER, 63, SPD, war von 1985 bis 1995 Präsident des Senats. Erklärte wegen Stimmverlusten nach Zerbrechen der Ampelkoalition seinen Rücktritt.

Interview: KLAUS WOLSCHNER

taz: Herr Wedemeier, Sie hatten als Bürgermeister 1995 noch weniger Prozente, nur 33,3 Prozent, als die SPD heute…

Klaus Wedemeier: Die Katastrophen-Wahl 1995, an die ich mich schmerzlich erinnere. Die Wahlbeteiligung lag damals immerhin bei 70 Prozent.

Sie hatten daher noch 115.000 Stimmen für die SPD geholt –14.000 mehr als die SPD jetzt hat. Was ist denn passiert?

Das ist die teilweise Abkehr von der SPD. Wenn Sie das vergleichen: Wir hatten 1987 zirka196.000 Stimmen, 1991 immerhin noch 143.000 Stimmen im Land, die auch 1999 und 2003 trotz des populären Spitzenkandidaten nicht annähernd mehr erreicht wurden. Seit 1987 müssen wir bei der Wahlbeteiligung und der Zustimmung zur SPD ständige Verluste hinnehmen. Die Analyse der Wählerwanderung für die Wahl 2007 sagt: 7.000 unserer Wähler von 2003 sind diesmal nicht zur Wahl gegangen, 6.000 zu den Linken, 5.000 zu dem Grünen.

Die SPD hat in den Arbeiterbezirken weniger verloren. Verluste von mehr als zehn Prozent im Vergleich zu 2003 gab es dagegen in den eher bürgerlichen Stadtbezirken…

In den bürgerlichen Vierteln hatten wir mit Henning Scherf einen Spitzenkandidaten, der die eine oder andere Stimme dort geholt hat. Jens Böhrnsen ist ein ganz authentischer Sozialdemokrat mit hoher Glaubwürdigkeit besonders in unseren SPD-Hochburgen. Trotzdem ist dort die Wahlbeteiligung erschreckend niedrig. Dass wir überhaupt im Land bei 36,8 Prozent gelandet sind, ist auch dem Spitzenkandidaten zu verdanken. Seine Nähe zur Gewerkschaft ist eine andere, auch seine Nähe zur Partei – er hat beide nicht wie Henning Scherf als anstrengend empfunden.

Als Problem bleibt die niedrige Wahlbeteiligung.

Es wird so sein, dass viele Familien, die Hartz-IV- oder Arbeitslosengeld-Empfänger sind, sich nicht mehr von der SPD repräsentiert fühlen. Das sieht man an dem Ergebnis der Linken, die genau dort oft zweistellige Ergebnisse erzielt hat. Das waren früher unsere Stimmen, die haben,wenn sie uns ihren Potest signalisieren wollten, rechts gewählt. Jetzt hatten sie eine echte Alternative zur SPD, aus ihrer Sicht. Die Linke wurde gewählt nach dem Motto: Wir wissen zwar, dass die nicht mitregieren können. Aber die sagen wenigstens, was Sache ist. Diese Wählerinnen und Wähler müssen wir zurückholen. Da müssen wir mehr hinschauen. Die müssen das Gefühl bekommen und letztlich davon überzeugt sein: Die SPD ist unserer Partei, dann stabilisiert sich das Ergebnis auch wieder für die SPD.

In den letzten Jahren hat die große Koalition denen signalisiert: Wir subventionieren die Wirtschaft, das gibt Arbeitsplätze und hilft Euch.

Jeder weiß: Das ist ja nicht so gelungen wie es versprochen wurde. Wir haben in Bremen noch nie so wenige sozialversicherungspflichtig Beschäftigte wie heute gehabt. Der CDU-Finanzsenator Ulrich Nölle hatte einst 40.000 neue Arbeitsplätze Versprochen, die SPD hat diese Aussage nie übernommen. Unsere Arbeitslosenquote liegt mittlerweile um 5 Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt, wir sind negativ abgekoppelt.

Die CDU bietet sich zum Nulltarif als Koalitionspartner an – was soll die SPD tun?

Klingt nach bedingungsloser Unterordnung, ich weiß nicht, ob das wirklich so ist. Dazu werde ich mich jetzt auch nicht äußern oder gar eine Empfehlung zur Koalitionsbildung abgeben. Es wird für die SPD wie auch für die CDU darum gehen: Wie bewerten wir die letzten zwölf Jahre im Lichte dieses Wahlergebnisses und welche Schlüsse müssen wir daraus ziehen. Beide werden es damit nicht leicht haben. Die Grünen dagegen können mit diesem Ergebnis ganz selbstbewusst in die Gespräche gehen. Die heutigen Grünen haben ein wahnsinnig gutes Ergebnis und keinen Grund, sich zu verstecken.

Die CDU sagt, wer in Berlin Geld holen will, der muss die Partei der Kanzlerin mit im Boot haben.

In Bonn hat 1992 Helmut Kohl regiert, in Bremen hatten wir die Ampel-Koalition. Ich bin nicht einmal – weder von Kohl noch von Finanzminister Theo Waigel – auf die Ampel angesprochen worden. Wichtig ist höchstens, wer die Gespräche führt, welche Person Finanzsenator ist. Wenn es zu einer rot-grünen Koalition kommt, sollte ein Sozialdemokrat diese gegenüber der Bundes- und Länderebene schwierige Aufgabe übernehmen.

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