„Natürlich viel Emotionalität“

DISKUSSION „Antimuslimischer Rassismus“ ist Thema einer Gesprächsrunde der Bremer Linksfraktion

■ 37, ist Sozialarbeiter und friedenspolitischer Sprecher der Linksfraktion in der Bremischen Bürgerschaft.

taz: Herr Tuncel, ist Rassismus gegen Muslime größer geworden?

Cindi Tuncel: Von persönlichen Erfahrungen kann ich natürlich nicht berichten, weil ich Jeside bin. Aber sowohl Muslime in meiner Nachbarschaft als auch Jugendliche mit Migrationshintergrund, mit denen ich als Sozialarbeiter viel zu tun habe, berichten das. Seit dem 11. September 2001 ist der Rassismus gewachsen – und viele haben das Gefühl, dass es momentan schlimmer wird.

Wie macht sich das bemerkbar?

Frauen berichten zum Beispiel, dass sie als Islamistinnen beschimpft werden, bloß weil sie ein Kopftuch tragen. Es wird nicht mehr differenziert. Dabei gibt es in Bremen zwar Salafisten, die bilden aber eine verschwindend kleine Minderheit der Muslime.

Woher kommen diese Töne?

Aus der Mitte der Gesellschaft – obwohl man meinen müsste, dass die Menschen aufgeklärt sind. Aber die Stimmung ist ein bisschen so wie damals nach Erscheinen des Sarrazin-Buches. Auch in der Presse werden viele Dinge meiner Meinung nach zu hoch gehängt.

Welche denn?

Hier in Bremen zum Beispiel die kriminellen Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Da wird gefordert, sie zurückzuschicken, ohne zu hinterfragen, wie lange die schon unterwegs sind und was sie alles hinter sich haben.

Wie groß sind die Vorurteile gegen Muslime in der jesidischen Gemeinde?

Im Moment ist da natürlich viel Emotionalität im Spiel, aber wenn jemand zehn oder noch mehr Familienangehörige verloren hat, ist das ja auch kein Wunder. Insgesamt gibt es hier in Bremen aber eine langjährige, gute und freundschaftliche Zusammenarbeit von Muslimen und Jesiden. Es gibt gemeinsam organisierte Demos und viel gegenseitige Unterstützung. Die gute Arbeit, die wir hier hier leisten, trägt Früchte.

Trotzdem gibt es ja einen Grund für die heutige Veranstaltung…

Klar gibt es den. Dass Parteien wie die AfD in jüngster Vergangenheit so viel Zuspruch erhalten haben, zeigt, dass wir kommunizieren und aufklären müssen. Und wir wollen dabei auch schauen, was wir dabei konkret politisch machen können.Interview: SCHN

18 Uhr, Abgeordnetenbüro von Cindi Tuncel, Walliser Straße 140