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Archiv-Artikel

QuEAR – das trans*tonale Ohrenfest

Mit ihrem Ohrenfest wollen zwei queere FreundInnen gegen klassische Lebensentwürfe, ungerechte Arbeitsverhältnisse und rassistische Strukturen protestieren. Ihre Mittel zum Protest: tonerzeugende Pflanzen und queere Hörspiele

Ohrenfest

 Quear – das trans*tonale Ohrenfest, vom 5. bis 7. August auf dem Bauwagenplatz Schwarzer Kanal, in der Kiefholzstr. zwischen Puderstr. und Karpfenteichstr.

■  Vorgeschmack – erste Ohrenschmäuse werden auf einer Soliparty der Gruppe am 16. Juli, im Südblock in Kreuzberg präsentiert, Admiralstraße 1-2.

■  Im Netz: www.quear.org

■  Einsendungen an:

audio@quear.org

„In unserer augenfixierten Gesellschaft, die ständig neue Bilder, Farben und Formen produziert, ist das gezielte Lenken der Aufmerksamkeit auf den Ton eine queere Praxis“, erklärt Baella van Baden-Babelsberg. Da Töne und Klänge eigene Bilder im Kopf produzierten, könne das ohnehin Sichtbare subtil unterwandert und sich dem Diktat des objektiven Bildes widersetzt werden. Gemeinsam mit ihrem Mitstreiter LCavaliero organisiert Baella deshalb vom 5. bis 7. August ein Festival, auf dem sie das Hören in all seinen Formen ins Zentrum der sinnlichen Wahrnehmung rücken wollen.

Auf die Idee für ihr Ohrenfest, das den Namen „quEAR!, dem trans*tonalen Ohrenfest“ trägt, kamen die beiden FreundInnen, als sie gemeinsam das queere D.I.Y. Filmfest „entzaubert“ auf dem Schwarzen Kanal besuchten. „Wir waren von der Atmosphäre auf dem Bauwagenplatz begeistert“, berichtet LCavaliero. Sie fassten den Entschluss, selber dort ein Festival zu organisieren, für die Ohren statt für die Augen.

Die Idee Baellas, die selbst Features fürs Radio und Klanginstallationen produziert, wurde von LCavaliero, der aus der queeren Performance-Szene kommt, sofort aufgegriffen. Wie Baella berichtet, werden durch Sprache und Ton Geschlechterklischees und rassistische Stereotype anders konstruiert als durch Bilder. „Es ist spannend zu beobachten, was für ein Bild das Gehörte im eigenen Kopf produziert. Anschließend kann man sich fragen: Warum sieht das Bild so aus und nicht anders“, fasst Baella zusammen. Trotz dieses Aspekts ist der Ton als politische Aktionsform in der queeren Szene bisher noch nicht erschlossen worden. Das wollen die beiden FreundInnen nun ändern.

Um queere Lebensweisen und Praxen soll es dann auch auf dem Festival gehen. Wie LCavaliero erklärt, solle ein Ort geschaffen werden, an dem Protest gegen Hierarchien und Machtverhältnisse artikuliert werden kann. Entsprechend soll das Festival möglichst vielen Menschen, die aufgrund ihrer Lebensweise diskriminiert werden, die Möglichkeit bieten, ihren Ärger über klassische Lebensentwürfe, ungerechte Arbeitsverhältnisse und rassistische Strukturen Luft zu machen. Hierfür setzt die Gruppe auf die Zusammenarbeit mit verschiedenen Organisationen, Vereinen, Gruppen und Einzelpersonen. Im Festival-Bündnis vertreten sind Gruppen, die sich mit Rassismus und Heterosexismus auseinandersetzen, Hochschulreferate und Medien wie das Transgenderradio oder Missy Magazine. „Im Bereich Ohren gibt es noch kein großes queeres Netzwerk. Es war ein hartes Stück Arbeit, Leute zu finden, die sich damit beschäftigen“, fasst LCavaliero zusammen.

Doch bevor sie alle ihren Protest mittels Tönen Gehör verschaffen können, muss noch einiges getan werden. Nachdem die Netzwerkarbeit und die Beschaffung finanzieller Mittel fast abgeschlossen ist, geht die Vorbereitung nun in die heiße Phase. Die größte Herausforderung sehen die beiden darin, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich auf die Hörbeiträge konzentriert eingelassen werden kann. Es gibt die Überlegung, eine riesige Ohrmuschel am Eingang der Wagenburg aufzubauen, durch die man hindurchschlüpfen muss, um auf das Festival zu gelangen, und in der man angeleitet wird, was bei dem Besuch des Festivals zu beachten ist. „Anders als bei einem Filmfestival, bei dem viel auf eine große Leinwand schauen, verlangt ein Hörfestival mehrere Orte mit kleineren Gruppen, um die Konzentration nicht zu stören. Deshalb soll es viele „Klanginseln“ geben, „Hörzelte oder Hörwagen“, sagt Baella. „Wie wollen das ganze Gelände zum Klingen bringen, mit Klanginstallationen und Lichtern in der Nacht“, erklärt LCavaliero.

Für ihr Programm hat sich die Gruppe viel vorgenommen: Hörspiele, die sich an alle Altersgruppen richten, sollen vorgespielt, Live-Audioperformances präsentiert und Klanginstallationen auf dem ganzen Gelände eingerichtet werden. Bisher seien zwanzig KünstlerInnen an Bord, viele weitere seien interessiert. Einer von ihnen wolle Pflanzen durch Berührung Töne erzeugen lassen. Darüber hinaus soll es Workshops geben, in denen unter anderem gezeigt werden soll, wie man für Skulpturen Audiosequenzen inszenieren kann.

„Im Bereich Ohren gibt es noch kein großes queeres Netzwerk“

LCAVALIERO

Wer ebenfalls ein Hörspiel beitragen möchte oder Ideen für Workshops hat, kann bis Ende Juni seine Vorschläge an die Gruppe schicken. Auch sonst freuen sich LCavaliero und Baella über engagierte Menschen, die ihnen bei der Organisation und der Konzipierung des Festivals zur Hand gehen wollen. „Wir freuen uns über jedes Ohr und Ohrenhäppchen“, trommelt Baella für das trans*tonale Ohrenfest.

LUKAS DUBRO