: Grünes Gas drängt ins Netz
Die Stadtwerke Aachen machen vor, was in nur wenigen Jahren ganz gewöhnlich sein könnte: Sie speisen Biogas ins öffentliche Gasnetz ein. Etabliert sich dieser Weg, würde sich für die gesamte Biobranche der Zugang ins Wärmenetz öffnen
VON DIERK JENSEN
Biogas ist nicht nur eine Sache von energiegeladenen Landleuten, die gewinnbringend grünen Strom produzieren. Denn Biogas wird in Zukunft auch direkt in die Städte zum urbanen Wärmekonsumenten gelangen. Und zwar ganz klassisch über das bestehende Gasnetz. Während die Großen der Energiebranche lieber dicke Rohre in die Ostsee versenken, um russisches Gas nach Deutschland zu bringen, speisen die Stadtwerke Aachen (Stawag) schon seit geraumer Zeit Biogas ins Erdgasnetz ein.
Der regionale Energieversorger betreibt in den Orten Kerpen und Straelen zwei Biogasanlagen à zwei Megawatt Leistung. Während die RWE Transportnetz Gas GmbH in Kerpen den Zugang in ihr Gasnetz bis heute verwehrt,wird das in Straelen erzeugte Biogas, wie geplant, ins Netz der NGW, einer Tochtergesellschaft der Gelsenwasser, gedrückt. Dabei wird das im Bioreaktor generierte Roh-Biogas auf einen Methan-Gehalt von 95 Prozent aufbereitet. Kurioserweise habe dieses Biogas eine zu hohe Qualität für das RWE-Gasnetz, heißt es seitens der Rohr-Verweigerer. Die Streitparteien schlagen sich nun Studien und Gegenstudien um die Ohren, um die Positionen des Kontrahenten zu untergraben.
Zwar werden technische Probleme vorgeschoben, bei dem der Energieriese RWE alle Register zieht, um nicht allzu schnell einlenken zu müssen. Geht es doch bei diesem Präzedenzfall um eine energiepolitische Weichenstellung. Wenn nämlich die Stawag eine Einspeisung ihres Biogases erzwingt,dann ist das für alle anderen deutschen Stadtwerke – und überhaupt der gesamten Biogasbranche – ein Signal dafür, dass ihnen in Zukunft der Zugang in den Wärmemarkt nicht mehr versperrt bleibt.
Aber nicht nur in Aachen, auch in München wird seit 2006 aufbereitetes Biogas ins bestehende Erdgasnetz eingespeist. An vielen anderen Orten, in Rathenow und Rotenburg beispielsweise, sind ähnliche Projekte geplant oder schon im Bau. Allerdings gelangt das bisher eingespeiste Greengas nicht als Wärmeprodukt direkt zum Endverbraucher, sondern wird in dezentralen Blockheizkraftwerken am Ort des Verbrauches wieder in Strom und Wärme zerlegt – was energetisch von Vorteil ist.
„Da müssen aber noch viele Probleme geklärt werden“, bremst Dirk Weber allerdings die Euphorie über eine baldige Einspeisung von Greengas im ganz großen Stil. Der Diplom-Ingenieur ist bei der Kölner Trianel-Service-Gesellschaft mbH (TSG) damit beschäftigt, zukünftig ein Greengas-Netzwerk mit vielen Stadtwerken aufzubauen. Wenngleich Weber die Anwendung von Greengas für die Wärmenutzung im Privatkundensegment technisch und bilanziell durchaus für realisierbar hält, sei das für ihn dennoch eher ein Gedanke von übermorgen.
Frank Brösse, Prokurist der Stawag Energie GmbH, gibt darüber hinaus zu Bedenken, dass die Biogaserzeuger mindestens den doppelten Preis im Vergleich zum fossilen Gas in Rechnung stellen müssten, um wirtschaftlich über die Runden zu kommen. „Ich habe bisher keine Idee, wer mir das Biogas für das Doppelte abnehmen würde.“ Weswegen es nicht sonderlich verwundert, dass der Stawag-Pressesprecher Kai Mennigmann einen Einstieg ins Biogas-Wärmegeschäft für Privatkunden, obwohl das ein relativ naheliegender Gedanke sei, „mittelfristig“ für ausgeschlossen hält.
Und obwohl die bundesdeutsche Biogasbranche im letzten Jahr 550 MW Leistung zugebaut hat, gibt es noch keine verlässliche Marktstudie darüber, wie viele Gas-Endverbraucher tatsächlich Interesse hätten, Erdgas mit Biogas zu ersetzen. Und zwar mit einem Aufpreis analog der Anbieter von Ökostrom. Wie hoch der sein müsste, kann keiner genau sagen. „Halb so teuer, doppelt oder dreifach teurer, ich weiß es nicht“, sagt beispielsweise Martin Leuchtenberg vom Energiehandelsunternehmen Nuon Deutschland GmbH. Trotzdem hält er das Produkt Greengas für sehr interessant. In den letzten Wochen landeten auf dem Schreibtisch des Nuon-Mitarbeiters zu diesem Thema mehrere Anfragen. „Aber zurzeit ist Biogas noch kein Handelsprodukt“, muss Leuchtenberg bisweilen enttäuschen.
Aber: „Alles ist denkbar“, wirft Andreas Jahn vom Bundesverband Neuer Energieanbieter (BNE) ein. „Wieso nicht auch ein Wärmemarkt für Biogas, theoretisch ist das möglich.“ Doch sei das noch Zukunftsmusik in einem sich erst jetzt langsam öffnenden Gasmarkt, auf den Newcomer drängen.