: Afrika und Deutschland „auf Augenhöhe“
AUSSENPOLITIK Im neuen Afrikakonzept der Bundesregierung steht nicht mehr Entwicklungshilfe im Vordergrund. Es geht jetzt um „Demokratie und Menschenrechte“ auf einem selbstbewussteren Kontinent
■ Der Besuch von Außenminister Guido Westerwelle im Sudan, zu dem er gestern abreisen wollte, wurde am Nachmittag kurzfristig abgesagt, weil sich die Aschewolke des eritreischen Vulkans Nabro, der am Wochenende ausgebrochen war, ausbreitete. Der Sudanbesuch könnte nun nächste Woche stattfinden, aber das ist noch unklar. Unterdessen hat das Bundeskabinett am Mittwoch die Anerkennung Südsudans nach dessen Unabhängigkeitserklärung am 9. Juli beschlossen. Im Juli hält Deutschland den Vorsitz des UN-Sicherheitsrats und muss daher die Aufnahme Südsudans in die UNO sowie eventuell ein neues UN-Mandat organisieren. (dpa, taz)
AUS BERLIN DOMINIC JOHNSON
Nach jahrelanger Arbeit hat die deutsche Bundesregierung gestern erstmals ein Afrikakonzept vorgelegt. Das 35-seitige Dokument, das Bundesaußenminister Guido Westerwelle gestern unmittelbar vor seinem Aufbruch in den Sudan im Auswärtigen Amt vorstellte, vor allem der besseren Abstimmung zwischen deutschen staatlichen Akteuren. „Die Bundesregierung will in ihrer Afrikapolitik einheitlicher agieren“, verspricht das Konzept.
Das Konzept gründet auf einer grundsätzlich optimistischen Analyse. „Was wir in Afrika erleben, ist der vielleicht faszinierendste Beleg für eine Welt im Wandel“, sagte Westerwelle in seiner Rede. Man erlebe eine „Zeit dramatischer Umbrüche und Aufbrüche“, in der „die globalen Kräfteverhältnisse sich dramatisch verschieben“ und nichts mehr so sei wie noch vor dreißig Jahren. „Wir wollen der wachsenden Bedeutung Afrikas Rechnung tragen“, so der Minister.
Das Afrikakonzept führt aus: „Die Mehrheit der über eine Milliarde Afrikanerinnen und Afrikaner fordert Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Einhaltung der Menschenrechte. Dies gilt aktuell nicht nur in den Ländern Nordafrikas, sondern auf dem gesamten afrikanischen Kontinent. In einer zunehmenden Zahl von afrikanischen Staaten übernehmen verantwortungsbewusste Regierungen die Führung und werden von einer aktiven Zivilgesellschaft kontrolliert. Afrika ist zudem mittlerweile selbst ein Akteur auf globaler Bühne.“
Weiter wird betont: „Deutsche und europäische Kooperation ist weit mehr als Entwicklungszusammenarbeit“. Dahinter verbirgt sich eine Akzentverschiebung in der Bundesregierung seit dem Amtsantritt der schwarz-gelben Koalition. Während bis 2009 SPD-Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul und unter Rot-Grün auch die grüne G-8-Beauftragte des Bundeskanzleramtes, Uschi Eid, eine führende Rolle bei der deutschen Politik gegenüber Afrika beanspruchten, steht jetzt das Auswärtige Amt im Mittelpunkt. Dafür sorgt der erst am 1. November 2010 ernannte Afrikabeauftragte Walter Lindner, früher Botschafter in Kenia und davor Sprecher Joschka Fischers als grüner Außenminister.
„Das Auswärtige Amt ist für die Kohärenz deutscher Vorhaben in Afrika und das geschlossene Auftreten in internationalen Organisationen zuständig“, stellt das Konzept überraschend deutlich klar. Die Grabenkämpfe hinter dieser Formulierung waren ein Grund, warum das seit Jahren versprochene Konzept erst jetzt fertig wurde.
AUSSENMINISTER WESTERWELLE
In der Praxis deutschen Regierungshandelns bedeutet das eine engere Verzahnung der zuständigen Ministerien unter Führung des Auswärtigen Amtes. Im Umgang mit Afrika bedeutet es, Afrika als ein normales Gegenüber zu behandeln, und das wird Afrikaner am meisten freuen. „Afrika und Deutschland wollen als Partner auf Augenhöhe mit gemeinsamen Interessen und jenseits überholter Geber-Nehmer-Strukturen zusammenarbeiten“, betont das Konzept.
Es ist auch eine Neuerung, den Blick auf den gesamten afrikanischen Kontinent zu richten statt wie früher nur auf Afrika südlich der Sahara. Damit erscheinen Nordafrikas Revolutionen als Teil eines gesamtafrikanischen Fortschritts, und das ermöglicht eine Politisierung der Afrikapolitik. „Die deutsche Politik dient der Verwirklichung der Menschenrechte“, führt das Konzept aus. „Unsere Partner in Afrika sind dabei an erster Stelle jene Länder, die diese Werte teilen.“
Eine weitere wichtige Dimension ist der klassische Wirtschaftsliberalismus, also die Förderung von Freihandel und Auslandsinvestitionen, von nachhaltigem Wachstum sowie von „Energie- und Rohstoffpartnerschaften“. Um diese geht es, wenn im Juli Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Kenia sowie Afrikas zwei größte Ölförderländer Angola und Nigeria reist.