: Was darf Aggro-Rap?
Wegen seiner Gewalt verherrlichenden Texte hat die Hamburger Jugendpolitikerin Stefanie Strasburger (CDU) ein Auftrittsverbot für den Rapper Bushido angeregt, der am 10. Juni im Stadtpark gastiert. Wo die Freiheit des Worts endet, fragen zwei taz-AutorInnen
Daran scheiden sich die Geister. Einige Hardcore-Reime aus Bushidos Ouvre:
Das Leben ist ein Arschfick in 24 Stunden / Fließen neue Tränen neuer Kummer reißen alte Wunden „Arschfick“
Deine unglaublich geilen Augen sind so sagenhaft / Weißt du noch als ich deinen Ex-Freund geschlagen hab „Ich Regel Das“
Ich bin der Staatsfeind, angelhart auf der Pirsch / Dieser Junge fickt dich in den Arsch wie ein Hirsch „Sex in the City“ Sieh du kannst nicht mit mir reden, du hast einen Schwanz im Mund / Alle sind jetzt cool, für mich bist du ein Spast, na und „Weisst Du?“
Guten Appetit, das hier ist kein Pumpernickel / Du kannst mich besuchen, wenn ich deine Mutter ficke„Universal Soldier“
Dein Album war krass, mein Album war krasser / Wenn meine jungs kommen läuft bei euch das Arschwasser „Kickboxer“
Guck mir zu wie ich jeden deiner Homies erschieß /Meine Stimme macht jetzt bei Nacht Terror im Kiez „Electro Ghetto“
Ich hab Geld, ich bin hart aus dem Herzen von Berlin / Spuck ich zweimal in das Mic und verkaufe Kokain „Behindert“
Ich werd‘s so machen wie der Cowboy im Western / Ich trink nur noch Whisky und fick deine Schwestern
(…)Ein Schwanz in den Arsch, ein Schwanz in den Mund / Ein Schwanz in die Fotze, jetzt wird richtig gebumst „Gangbang“
PRO
VON MART-JAN KNOCHE
Immer sind es essentielle Gründe, die gegen die Zensur von Kunst und Meinung sprechen – nur in der Ausnahme erfüllt in einer freien Gesellschaft das Verbot des Sich-Äußern-Dürfens einen Sinn. Diese Ausnahme trifft vor allem zu auf Mörder und jene, die sich in deren Tradition artikulieren und die Fortführung der Verbrechen propagieren: Nazis zum Beispiel. Der Proleten-Rapper Bushido aus Berlin gehört nicht in diese Kategorie.
Gewiss, Bushidos deutschsprachige Liedtexte sind die eines infantilen Halbstarken, erheben ihn zum King und werden größtenteils getragen von einer mit Beschimpfungen und pubertären Kraftausdrücken gespickten Fäkalsprache. Es ist kein intelligenter Hiphop und kein talentierter. Aber reicht das aus, um ein Verbot seines Konzerts im Hamburger Stadtpark anzustrengen? Nein. Es reicht aus für Kritik. Und dieser Kritik müssten sich auch die politischen Gestalter dieser Gesellschaft stellen.
Allein angesichts des allabendlichen Fernsehprogramms grenzte ein Auftrittsverbot an realitätsfremde Heuchelei: Bilder von Killerkommandos, Vergewaltigungen und entwürdigenden Selbstdarstellungen rauschen jeden Tag durch die Flimmerkiste in die Köpfe hinein. Da können unflätige Texte, die jene Bilder in Sprache umformen nur schwer als Rechtfertigung für eine Zensur überzeugen. Vielmehr scheint hier auch eine Verkennung der gesellschaftlichen Realität in der Politik mitzuspielen, der die Wort- und Sprachwahl einiger Bevölkerungsgruppen aufstößt. Hiphop ist längst auch in Deutschland zur breiten Jugendbewegung avanciert, in der sich auch eine eigene Sprachform etabliert hat – im Fall von Bushido freilich eine sehr vulgäre.
So würde ein Auftrittsverbot auch nicht den gedachten Zweck erfüllen. Bushido hören Millionen, allein in den vergangenen drei Jahren erhielten fünf seiner Alben Gold-Status, er wurde mit dem MTV Europe Music Award, zweimal mit dem Echo und sogar dem Otto der Jugendzeitschrift Bravo ausgezeichnet.
Das Auftrittsverbot liefe geradewegs ins Nichts: Das Image eines gefährlichen Gangster-Rappers würde erhöht werden und die Jugendlichen seine Musik auch weiterhin hören. Den Zugang zu seinen Liedern kann man im Zeitalter der Online-Tauschbörsen auch nicht ausschließen. Die Verbots-Überlegungen der jugendpolitischen Sprecherin in der Hamburger CDU-Bürgerschaftsfraktion, Stefanie Strasburger, versprühen daher zusätzlich zur Freiheitseinschränkung den Don Quijote’schen Geist einer Windmühlenkämpferin.
Eine ähnliche Debatte gab es letztes Jahr in Frankreich als Sarkozy, damals noch Innenminister, sieben Hiphop-Gruppen gleich ganz auf den Index stellen wollte, weil er ihnen vorwarf, die Krawalle in den Banlieues anzuheizen. Passiert ist nichts, und das ist gut so.
Contra
VON PETRA SCHELLEN
Natürlich ist es unsinnig, solch einen Auftritt verbieten zu wollen. Allzu deutlich sucht sich da, eine konservative Abgeordnete auf Kosten der sonst ja so gern propagierten Jugendkultur zu profilieren – wohl wissend, dass derlei Diskussion keine praktischen Konsequenzen zeitigt. Solche Debatten sind ähnlich so müßig wie die Forderung, in öffentlichen Bücherhallen keine Internet-Anschlüsse zu installieren, weil ja pornographische Seiten aufgerufen werden könnten.
Zu fragen ist aber sehr wohl, ob einer wie Bushido, der ja nicht nur indizierte Texte im Repertoire hat, bei seinem Hamburg-Auftritt schwulen-, fremden- und frauenfeindliche und gewaltverherrlichende Lieder singen muss – im Rahmen eines lustigen Sommerfest-Events im Stadtpark.
Natürlich: Jeder, der will, kann diese Texte im Internet lesen und herunterladen. Jeder ist frei, CDs zu erwerben, auf denen all dies verbreitet wird. Trotzdem existiert ein gravierender Unterschied zwischen Internet, CD und einem Live-Event, das bewusst auf Massenwirkung setzt und Begeisterung auch für Inhalte generieren kann, die die Hörerschaft bei klarem Verstand nicht goutiert hätte.
Man könnte also sehr wohl erwägen, zwar nicht den Auftritt des Rappers, wohl aber einzelne Lieder zu verbieten – einfach, um zu zeigen, was Gesellschaft schätzt und was nicht. Denn abgesehen davon, dass die Rapper-Szene ganz allgemein unter spätpubertären Allmachtsphantasien leidet, stellt sich doch die Frage, ob man dies immer wieder öffentlich zelebrieren muss: das so verzweifelt beschriene Männlichkeits-Ideal, das außer Hass und Unreife oft wenig bietet.
Zwar passt solches Gedankengut gut zur Verfasstheit unserer Gesellschaft, die – schizophren – aus dauerpubertierenden Vierzigern einerseits und immer mehr Alten andererseits besteht. Trotzdem bedeuten etliche Bushido-Texte in puncto Respekt und Gleichberechtigung einen Rollback sondergleichen. Wer dem tatenlos zuhört, verhält sich ähnlich „tolerant“ wie jene, die sexistische Magazine am Zeitungsstand zuoberst legen, weil sie sich so besser verkaufen. In Skandinavien zum Beispiel liegen die da nicht. An den Gedanken der Leute ändert das vielleicht nichts. Wohl aber vermittelt es ein Gefühl für das, was eine Gesellschaft für tolerabel hält und was nicht.
Und wenn man schon so stark auf die Jugend setzt: Warum soll man nicht damit beginnen, ihnen einen neuen Zeitgeist zu backen, der da sagt: Ausländer- und Frauenhass sind einfach uncool. Für die, die um jeden Preis „in“ sein wollen – und das sind viele – wäre es genau die richtige Methode. Das Verbot intoleranter Liedtexte könnte ein Anfang sein.