der wochenendkrimi: Zwischen Wahn und Wirklichkeit
„Sperling und die kalte Angst“, Sa., 20.15 Uhr, ZDF
So eine Observation ist ganz einfach: Mieter raus, Polizei rein. „Krieg ich auch ein offizielles Papier?“, fragt der Student aus der Berliner Hinterhofwohnung. „Später!“, raunzt Sperling (Dieter Pfaff) und hat die Frage dann auch schon wieder vergessen.
Einen Drogenring in der Behausung gegenüber will man beobachten, zuvor wurde kaltblütig eine geheime Informantin ermordet. Die Sache drängt, man hat es offensichtlich mit einer zu allem bereiten kriminellen Vereinigung zu tun.
Konrad, der Kabelmann (Matthias Koeberlin), soll Lauschapparaturen aller Art anbringen. Und weil er schon mal dabei ist, verwanzt der rassistische und sexistische Techniker gleich das ganze Haus, auch ohne jedes offizielle Verdachtsmoment. Hauptkommissar Sperling ist von den eigensinnigen Aktionen des cable guy nicht gerade angetan. Anderseits: Die gegenüberliegenden Mietparteien scheinen tatsächlich jede auf ihre Art verdächtig zu sein.
Sehr dubios wirken zum Beispiel die beiden jungen Türkinnen (Esther Zimmering und Pegah Ferydoni), die in ihrer Wohnung schusssichere Westen und Kippschalter horten, wie sie zum Bau einer Bombe verwendet werden können. Klar, dass da Misstrauen aufkommt. „Ich muss einfach nur hinschauen“, raunt sich der Ermittler irgendwann selbst zu. „Wie sieht ein Terrorist aus, woran erkenne ich einen Attentäter?“
Autor und Regisseur Uwe Janson („Peer Gynt“) hat einen gefährlich aktuellen Politthriller zusammengebraut. Eine, das lässt sich schwerlich leugnen, virtuose Mixtur aus Hitchcocks „Fenster zum Hof“, Coppolas „Dialog“ und einer ordentlichen Portion Terrorismus-Paranoia.
Während draußen die Kälte klirrt, gerät der Kommissar immer mehr ins Zweifeln. Schwierig zu sagen, wo staatliche Aufsichtspflicht aufhört und Eigenermächtigung beginnt. Doch die Komplettobservierung der Berliner Hinterhofwelt erscheint in Jansons Film irgendwann nur allzu berechtigt, schließlich tut sich bald tatsächlich ein monströses Komplott auf: Das Brandenburger Tor soll Ziel eines Anschlags sein.
In einer gut gemeinten dramaturgischen Wendung wird einer der Attentäterinnen (Sheri Hagen) zwar noch ein Gesicht, eine Geschichte und eine relativ komplexe psychologische Motivation für ihr Handeln gegeben. Die Stoßrichtung des über weite Strecken zermürbend unpopulistisch gehaltenen Terrorismuskrimis erscheint in seiner Konsequenz trotzdem dubios.
Die Reflexion über Wahn und Wirklichkeit, über Wahrnehmung und Willkür endet als Legitimierung des Überwachungsstaats: Bestimmte Gegenden des Landes lassen sich eben nicht genug verwanzen. CHRISTIAN BUSS
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