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Archiv-Artikel

Berliner oder Wiener Modell?

GRIECHENLANDHILFE Bis zum Gipfel müssen die Euro-Finanzminister eine Lösung finden. Wie könnte ein Kompromiss aussehen?

BERLIN taz | In der Eurozone prallen zwei kaum miteinander vereinbare Meinungen darüber aufeinander, wie Griechenland gerettet werden soll. Auf der einen Seite steht die Bundesregierung in Berlin – hinter sich einige Nordländer wie die Niederlande und Finnland – mit der Forderung nach einer Beteiligung privater Gläubiger an den Kosten der Rettung. Die Gegenpartei, zu der auch Frankreich und Belgien gehören, wird von der Europäischen Zentralbank (EZB) angeführt. Sie will alles verhindern, was nicht absolut freiwillig ist.

Der Zwist führte dazu, dass sich die Euro-Finanzminister auf ihrem Sondertreffen am Dienstag in Brüssel nicht mal auf eine gemeinsame Erklärung einigen konnten. Die nächste Verhandlungsrunde wurde daher um einen Tag auf Sonntag vorgezogen. Hauptanliegen der Bundesregierung ist es, nicht allein die Steuerzahler für die Griechenlandrettung in Haftung zu nehmen. Stattdessen sollen gefälligst private Gläubiger, also vor allem Banken, die alten griechischen Staatsanleihen in neue mit längerer Laufzeit umtauschen – die Rede ist von 7 Jahren. Dadurch soll die Athener Regierung Zeit für eine Haushaltskonsolidierung gewinnen. Die will von dem Plan aber nichts wissen. Die Drohung einer solchen Umschuldung habe die Märkte nur nervöser gemacht, klagte Premierminister Giorgos Papandreou. Bis zu 120 Milliarden wird der griechische Staat wohl noch brauchen. Mit seiner gerade wieder herabgestuften Bonität erhält er aber auf dem freien Markt keine neuen Kredite. Durch Laufzeitverlängerung für alte Kredite könnte der Privatsektor rund 30 Milliarden Euro zum Finanzierungsbedarf beisteuern.

Der EZB ist dieser Plan viel zu riskant. Ihre Sorge: Eine unter Druck zustande gekommene Laufzeitverlängerung könnte von den Märkten als Zahlungsausfall interpretiert werden, also als Pleite Griechenlands. Das könnte eine Kettenreaktion auslösen, die mit dem Zusammenbruch der griechischen Banken beginnen und mit einer Angriffswelle von Spekulanten auf andere Krisenländer enden könnte. Auch für die EZB steht viel auf dem Spiel. In ihren Büchern hat sie für etwa 200 Milliarden Euro griechische Wertpapiere stehen, die sie als Sicherheit für neues Geld angenommen hat und die dann mehr oder weniger wertlos sein könnten.

Immerhin zeichnete sich in Brüssel nun eine Lösung ab, und zwar analog zur Wiener Initiative von 2009. Damals hatten sich Großbanken im Rahmen eines Hilfsplans des Internationalen Währungsfonds (IWF) bereit erklärt, auslaufende Kredite für in der Finanzkrise schwer angeschlagene osteuropäische Länder bei Fälligkeit stillschweigend zu erneuern. Freiwillig.

Der künftige EZB-Präsident, Italiens Notenbankgouverneur Mario Draghi, stellte sich bereits hinter diesen Plan. Alle Konzepte, die nicht auf absoluter Freiwilligkeit beruhten, brächten viel zu hohe Risiken mit sich, vergleichbar mit den Folgen des Zusammenbruchs der US-Investmentbank Lehman Brothers. „Wir möchten diese Erfahrung nicht wiederholen“, sagte er in einer Anhörung des EU-Parlaments.

NICOLA LIEBERT