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Archiv-Artikel

Online-Casinos klagen

Niedersachsens Spielbanken verklagen das Land, um auch im Internet Glücksspiele anbieten zu können. Die Rechtslage sei eindeutig. Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) sieht das anders

VON KAI SCHÖNEBERG

„Real game, real money“, echtes Spiel, echtes Geld: Mit einem „realen Tisch für das Online Game“ kann zur Zeit in Deutschland nur das Online-Casino in Wiesbaden werben. Als einzige Spielbank bieten die Hessen im Internet zurzeit Live-Poker-Turniere, Online-Roulette oder virtuelles Black Jack an.

Die Daddel-Kollegen in Niedersachsen wollen das auch. „Wir brauchen das Internet-Casino in Niedersachsen“, sagt Rainer Chrubassik. „Und wir sind bereit, hierfür auch vor Gericht zu kämpfen“, begründete der Geschäftsführer der Spielbanken Niedersachsen (SNG) gestern die Klage vor dem Verwaltungsgericht Hannover gegen das Land, das der SNG das Online-Casino Mitte Februar verboten hatte. Niedersachsen lehnt das Internet-Casino mit dem Hinweis auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVG) aus dem vergangenen Jahr ab, das von den Ländern die Eindämmung der Spielsucht verlangt. Der für 2008 geplante neue Staatsvertrag der Länder sehe gar ein Verbot für Glücksspiele im Internet vor.

Der ablehnende Bescheid habe ihn „nicht nur überrascht, sondern wir fühlen uns durch die Landesregierung regelrecht getäuscht“, sagte hingegen Chrubassik. Die Rechtslage sei so eindeutig, dass die Spielbanker notfalls bis zum BVG gehen wollen.

Chrubassik hält das Verbot des Online-Casinos für „gefährlich“. Weltweit gebe es zurzeit 3.000 Online-Casinos im Internet, davon 600 deutschsprachige. Die Angebote aus Antigua, Costa Rica oder von den kanadischen Kahnawake-Indianern haben laut SNG „in punkto Sicherheitsbestimmungen so gut wie keine Auflagen“. Schädlich für Online-Süchtige, von denen es in Deutschland rund 265.000 geben soll. Das Angebot der SNG biete dagegen eine Einsatzobergrenze in Höhe von 500 Euro pro Woche, Identitätsprüfungen über die Schufa und „Self Checks“, mit denen sich Spieler auf Suchtgefährdung überprüfen können.

Ein staatlich konzessioniertes Das Angebot könne ein Versuch sein, das Spielverhalten von Suchtanfälligen zu „kanalisieren“, sagte Gerhard Meyer, Spielsuchtexperte von der Universität Bremen. Der Professor hat das Daddel-Portal der Niedersachsen mit erarbeitet, drei Jahre lang sollte er das Projekt wissenschaftlich begleiten. Grundsätzlich, könne das Suchtpotenzial der Internet-Spiele hoch sein, sagt Meyer: Die soziale Kontrolle fehle, „man kann anonym vom Wohnzimmer aus zocken“.

Das entrückte dem Konzessionsverweigerer gestern höchstens Krokodilstränen. „Wir hätten es begrüßt, wenn ein Online-Spiel unter staatlicher Aufsicht möglich gewesen wäre“, sagte der zuständige Finanzminister Hartmut Möllring (CDU), „aber das Urteil des Bundesverfassungsgerichts lässt das nicht zu.“ Die SNG drohte dem Kassenwart gestern indirekt mit Schadensersatzforderungen. Ihm gehe es allein um die Konzession, sagte Chrubassik – allerdings könnte die ablehnende Haltung das Land bis zu 30 Millionen Euro kosten.

So war beim Kauf der zehn niedersächsischen Spielbanken an die österreichische Casinos Austria International sieben Millionen Euro Rückzahlung vereinbart worden, falls das Online-Portal nicht starten kann. Neben den bislang versenkten Entwicklungskosten für die SNG drohten dem Land zusätzliche Einnahmeverluste, da die SNG einen Großteil des Spielertrags abgibt. Das könnte sich läppern. Ausländische Online-Casinos erwirtschaften in Deutschland im Jahr 300 Millionen Euro, Tendenz rasant steigend.

Einen kleinen Teil vom Kuchen schöpfen die Wiesbadener ab. Da das Land Hessen nicht so vorsichtig agiert wie die Niedersachsen, hat die dortige Spielbank bereits eine Online-Konzession bis 2011. Angeblich spielen dort jeden Tag 220 User.