: Athleten haben es nicht leicht
Bayer kürzt seine Sponsorengelder, die Telekom steckt im Dopingsumpf. Sportwissenschaftler und Politiker fürchten um die finanzielle Zukunft des Leistungssports in Nordrhein-Westfalen
VON HOLGER PAULER UND MARTIN TEIGELER
Der Leistungssport steht auf der Streichliste. Großunternehmen ziehen sich aus der Subventionierung vieler Sportarten zurück. „Das Engagement der privaten Wirtschaft nimmt ab“, sagt Christoph Breuer vom Institut für Sportökonomie und Management an der Sporthochschule Köln. Vor allem Disziplinen, in denen das Risiko nicht kalkulierbar ist, seien davon betroffen, so Breuer. So achteten Unternehmen zusehends darauf, dass sich ihre Sponsorenschaft im sportlichen Erfolg und auch im Image positiv auszahlen. „Dopingskandale wie im Radsport beim Team Telekom sind für die Außendarstellung fatal.“
Jüngstes Beispiel für einen Rückzug aus dem Spitzensport ist der Bayer-Konzern. Der Leverkusener Chemieriese hatte zu Wochenbeginn angekündigt, sich auf den Fußball und Breitensport zu konzentrieren und das Engagement in den ehemaligen Vorzeigesportarten Basketball, Volleyball oder Leichtathletik einzustellen. „Bayer hat sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht schon die richtigen Sportarten ausgesucht“, sagt Breuer. Dabei handelt es sich um eine relativ geringe Summe. Von den 30 Millionen Euro, die der Bayer-Konzern jährlich in den Spitzensport steckt, gehen 25 Millionen für den Profifußball drauf. Die Leichathleten und die 18 Erstligamannschaften aus Dormagen, Leverkusen, Uerdingen und Wuppertal teilen sich den Rest.
Die Politik ist nach der Entscheidung des wichtigsten Sportmäzens in NRW alarmiert. Nachdem die Opposition im Landtag vor einem Finanzloch im Sport gewarnt hatte, sucht die Landesregierung nach Alternativlösungen. „Wir sind im Gespräch mit den Sport-Verantwortlichen der Bayer-AG“, sagt Anette Henneböhle vom NRW-Innenministerium. Demnach sollen „Möglichkeiten ausgelotet werden, wie die entsprechenden Leistungssportaktivitäten in den Bereichen Leichtathletik, Handball, Volleyball und Basketball fortgesetzt werden können“. Hierbei gehe es aber „nicht um eine finanzielle Förderung des Landes“, so die Ministeriumssprecherin – zumal das Land bereits rund 12,3 Millionen Euro pro Jahr für den Nachwuchs- und Spitzensport ausgibt.
Manfred Speck, Vorstandsvorsitzender der Sportstiftung NRW für Nachwuchsleistungssport, fordert eine gesellschaftspolitische Diskussion über den Einfluss des Sponsorings auf den Sport – gerade angesichts der Dopingfälle beim Radsport-Rennstall Telekom. „Ich fordere von den Unternehmen, umgehend aus dem Dopingsumpf auszusteigen und nur noch einen sauberen und fairen Leistungssport zu fördern“, sagt Speck.
Für den langjährigen ARD-Leichathletikexperten Dieter Adler zeichnet sich ein Trend ab, dass Unternehmen weniger populäre oder dopinganfällige Disziplinen nicht mehr unterstützen. „Da wird jetzt offenbar ernst gemacht“, sagt der Fernsehreporter, der heute für den Pay-TV-Kanal Premiere arbeitet. Im Fall Bayer sei der Rückzug aus der Leichtathletik-Förderung bitter. Die Disziplin werde womöglich zum Opfer ihres Anti-Doping-Kampfs. „Weil in Deutschland mehr Dopingkontrollen durchgeführt werden als im Ausland, schneiden deutsche Athleten bei internationalen Wettkämpfen schlechter ab“, so Adler. Und wegen fehlender WM- und EM-Titel werde der Traditionssport für Sponsoren unattraktiver.
„Der Trend gehe ganz klar weg von den Einzelsportarten Richtung Eventsponsoring“, sagt Sportwissenschaftler Breuer. „Wir müssen uns entscheiden, welchen kulturellen Anspruch wir haben wollen.“ Der Staat sei gefordert, wenn er im Spitzenbereich keine Konzentration auf Kernsportarten wie Fußball wolle. Der Reporter Dieter Adler empfiehlt Sportlern, mit kleineren und mittleren Firmen zu kooperieren: „Es ist unsinnig auf die Großen zu hoffen und sich immer ins gemachte Bett zu legen.“