: Das Würstchen dankt ab
USA Der demokratische Abgeordnete Anthony Weiner muss seine politische Karriere abrupt beenden: Er hatte Fotos seines Glieds an mehrere Frauen geschickt. Als das herauskam, half auch Jammern nichts
AUS WASHINGTON DOROTHEA HAHN
Die Peepshow mit dem Abgeordneten Anthony Weiner auf der Drehscheibe hat drei Wochen gedauert. Am Donnerstagnachmittag war sie vorbei: Der New Yorker Demokrat, dessen Fotos im Slip und ohne Slip kreuz und quer durch die USA gegangen sind, trat von seinem Posten im Repräsentantenhaus zurück. In den Tagen zuvor war der einstige Shootingstar vom linken Parteiflügel, dem eine Zukunft als Bürgermeister von New York vorschwebte, den DemokratInnen zu einer Last geworden. SpitzenpolitikerInnen bis hin zu Präsident Barack Obama forderten ihn auf, den Kongress zu verlassen und sich um seine Ehefrau zu kümmern.
Seinen Abschied inszenierte Weiner – dessen Name wie das Würstchen ausgesprochen wird und sich für anzügliche Wortspiele eignet – so wie seine politische Karriere: theatralisch und von sich selbst überzeugt. Bei einer Pressekonferenz in einem Altersheim in Brooklyn erklärte Weiner, er hoffe, seinen „Kampf für die Mittelschicht“ an anderer Stelle fortsetzen zu können: „Denn leider macht die Zerstörung, die ich angerichtet habe, es unmöglich, das im Repräsentantenhaus zu tun.“
Kaum ist er gegangen, stimmt der Chor jener, die ihn zuvor zum Rücktritt aufgefordert haben, ein Loblied auf Weiner an. „Bald wird der Nächste mit heruntergelassenen Hosen erwischt werden“, prognostiziert Ed Schultz wenige Stunden später auf MSNBC: „Und dann wird Weiner mit seinem Rücktritt ein Beispiel sein.“
Dank Weiner konnte die US-Öffentlichkeit in den vergangenen Wochen ausgiebig über Sex – und über „pathologische Sexbesessenheit“ sowie über ungeahnte Unterhaltungsmöglichkeiten von Twitter und Facebook – reden. Der Kongressabgeordnete hatte seine Nackt- und Halbnacktfotos per Internet an „mindestens sechs“ Frauen verschickt. Als ein rechter Blogger das öffentlich machte, bestritt Weiner in mehreren Interviews zunächst alles. Er wisse nicht, ob es seine Unterhose, sein Glied und sein Foto sei. Und er redete von „Hackern“, die seine Facebook-Seite geknackt hätten.
Erst als neue Fotos und neue Textbausteine aus seinem „Sexting“ in die Öffentlichkeit kamen und als Einzelne seiner virtuellen Sexpartnerinnen in Interviews Details ausplauderten, trat er in die Flucht nach vorn an. Und organisierte eine erste Pressekonferenz. Dabei schluchzte und stammelte der Kongressabgeordnete eine halbe Stunde lang Entschuldigungen in die Kameras. Das war vor einer Woche.
Seither hat Weiner versucht, an seinem Posten festzuhalten. Vergebens. Sein Pech ist, dass er gegen mindestens zwei Tabus verstoßen hat: Er hat außerehelichen „Sex“ gehabt, obschon er seine Internetbekanntschaften angeblich nie persönlich getroffen hat. Und er hat gelogen.
Sorgen um künftige Einkünfte braucht Weiner sich dennoch nicht zu machen. Andere Politiker in den USA haben vorgeführt, dass es auch eine Karriere nach einem Sexskandal gibt.
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