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Archiv-Artikel

Jukebox

Popstarklone und geplünderte Klänge

Was haben wir gelacht: Bing Stingspreen, Aretha Vanilli, so heißen auf John Oswalds Werk „Plexure“ (1993) die Popstarklone, die vorgeblich für die 12 Nummern auf der Platte verantwortlich sein sollen. Oder Marianne Faith No Morrissey: setzt sich natürlich zusammen aus Marianne Faithfull, Faith No More und Morrissey, was bei Oswald dann bedeutet, dass er sich für die Komposition seines Stücks „Urge“ vor allem bei der Musik dieser Acts bedient hat. Er hat sie beklaut und ist auch noch stolz darauf. „Plunderphonics“ nennt Oswald sein Konzept der kreativen Urheberrechtsverletzung, also etwa: geplünderte Klänge.

Das, womit Oswald und vor allem seine Geistesverwandten, die Band Negativland, die heute in der Volksbühne spielt, Anfang der Neunziger berühmt und berüchtigt wurden – beide mussten Klagen wegen Urheberrechtsverletzungen über sich ergehen lassen – ist heute freilich elementarer Bestandteil der Popkultur. An Bastardpop, Microsampling hat man sich gewöhnt und nur noch beim Ideenklau an millionenschweren Popstars werden Anwälte tätig. Was auch den Pionieren im Kampf gegen das Urheberrecht zu verdanken ist. Denn während es in der heutigen Popkultur, in der elektronischen Musik und im Hip Hop, beim Sampling darum geht, Referenzen herzustellen und die eigene Musik ästhetisch in einen bestimmten Kontext zu stellen, verstanden sich Oswald und Negativland als Saboteure des Systems und betrachteten ihren Diebstahl als subversive Notwendigkeit. Es ging ums Prinzip, dann erst um die Musik. Ihnen war die Frage wichtig: Wem, bitteschön, gehört sie denn, die Kunst? „Wo Kreativität das Feld bildet, ist das Urheberrecht der Zaun“, sagte Oswald einmal. Er, ganz klar, wollte diesen Zaun einreißen.

So wie Negativland dann von den Zaunwärtern U2 in einen Rechtssreit verwickelt wurden, bekam Oswald Ärger mit Michael Jackson. Der wollte sich nicht für Oswalds „Plunderphonics“-Platte aus dem Jahr 1990 ausplündern lassen. Das Werk musste komplett eingestampft werden.

Auf „Plexure“, könnte man sagen, hat Oswald aus diesen schlechten Erfahrungen gelernt. Hier werden in so rasender Geschwindigkeit die Schätze seiner Raubzüge aneinandergereiht, dass sich nurmehr schwer die Originale erraten lassen. Vielleicht wurde Michael Jackson hier ja erneut für irgendeine Stelle beraubt, nur würde er das selbst nicht mehr erkennen. Andreas Hartmann