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Archiv-Artikel

Um ein Museum reicher

PARIS Die Fondation Louis Vuitton wurde diese Woche als neues Wahrzeichen im Westen der französischen Hauptstadt eröffnet

3.600 kompliziert gekrümmte Glasteile wurden für das transparente Mosaik hergestellt. Es entfaltet sich mit wuchtigen Trägern aus Lärchenholz

VON RUDOLF BALMER

Innerhalb einer Woche wurden in Paris die neue Fondation Louis Vuitton in einem vom kanadischen Stararchitekten Frank Gehry entworfenen Gebäude eingeweiht, das renovierte Picasso-Museum im Marais-Quartier wiederöffnet und die für Ausstellungen zeitgenössischer Kunst umfunktionierte und umgebaute historische „Monnaie“ (die „Münze“) dem Publikum zugänglich gemacht.

Parallel dazu findet mit zahlreichen (und zum Teil höchst umstrittenen) Rand- und Off-Veranstaltungen die jährliche Kunstmesse der Galerien Fiac statt, sie zieht mehr Aussteller denn je an. Mit diesem frenetischen Kulturbetrieb will die französische Hauptstadt der Welt zeigen, dass Paris immer noch oder wieder eine Kunstmetropole ist.

Weil es darum geht, den Anschluss nicht zu verpassen, werden auch Risiken und Kontroversen nicht gescheut. „Paris ist und war schon immer eine alte Dame allein schon wegen der Verbundenheit mit der Geschichte“, meint Le Parisien, „aber wegen ihrer Kunstgeschichte eine prächtige, funkelnde, freche und tollkühne Dame, die sich trotz ihres Alters nicht vor Skandalen fürchtet.“ Anstoß erregt hat bei gewissen Puritanern das aufgeblasene Werk „Tree“ des US-Künstlers Paul McCarthy, das auf der Place Vendôme der Zerstörungswut nächtlicher Vandalen zum Opfer fiel, weil es diese anscheinend zu sehr an ein Sexspielzeug erinnert hat. McCarthys teils provokative Kreationen sind mit der „Chocolate Factory“ ab Samstag in der „Monnaie“ zu sehen, die mit dem Hinweis „für Kinder und Jugendliche ungeeignet“ für zusätzliches Interesse sorgt. Der Pariser Veranstaltungskalender für Kunstinteressierte ist derzeit so prall gefüllt, dass es tatsächlich Werbung braucht.

Allein schon wegen der spektakulären Architektur von Frank Gehry hat die Eröffnung der Fondation Louis Vuitton am westlichen Stadtrand von Paris weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Der Eigentümer der Luxusgruppe LVMH, Bernard Arnault, hat sich damit einen Traum erfüllt. Er ist nicht nur der reichste Mann Frankreichs, sondern auch ein Mäzen und leidenschaftlicher Sammler, der in diesem außergewöhnlichen Bauwerk jeweils Teile seiner eigenen Kollektion und in temporären Ausstellungen Werke der Gegenwartskunst zeigen will. Paris wird damit um ein Museum reicher, erhält dank Gehrys waghalsiger Architektur zweifellos auch einen Anziehungspunkt, der ab sofort auf dem Programm der Stadtrundfahrt stehen wird. Gehry hat mit diesem Haus, das einem Schiff mit zwölf Glassegeln ähnlich sieht, vielleicht sein Hauptwerk geschaffen, mit dem er selber in die Geschichte eingeht. Nicht zufällig widmet ihm das Centre Pompidou – das im Vergleich zur Fondation Vuitton geradezu altertümlich wirkt – eine umfassende Retrospektive.

Bernard Arnault hatte es Gehrys Guggenheim-Museum in Bilbao angetan. Mit seiner nach dem LVMH-Firmengründer benannte Stiftung sollte der kanadische Architekt mit seinem Konzept des „Dekonstruktivismus“ noch weiter gehen als in Bilbao. „Gehrys Zeichnungen haben uns sofort begeistert. Doch die Technologie, die es brauchte, um ein solches Gebäude zu erstellen, existierte anfänglich nicht. Man musste alles dafür erst erfinden“, erinnert sich Arnaults Kunstberater Jean-Paul Claverie. Rund 30 Patente, vor allem im Bereich der Herstellung von Spezialglas, wurden eingereicht. 3.600 kompliziert gekrümmte Glasteile mussten in Italien vom französischen Spezialisten Saint-Gobain für dieses transparente Mosaik hergestellt werden. Dessen Schönheit entfaltet sich aber vor allem im sehr hellen Inneren mit den sichtbaren Verstrebungen aus Metall und wuchtigen Trägern aus Lärchenholz aus dem Schwarzwald.

Labyrinth von Räumen

Für den Anfang sieht das Museum ein wenig leer aus. Das Hauptereignis ist das Haus selber. Wie häufig bei solchen modernen Gebäuden mit wenig gerade Linien und flachen Wänden stellt sich aber tatsächlich die Frage, wie darin Bilder aufgehängt werden können. Natürlich entspricht das Innere mit seinem Labyrinth von Räumen auf mehreren Ebenen auch überhaupt nicht dem klassischen Ausstellungskonzept, bei der Besucher von A bis Z und von Saal zu Saal pilgert. Zu sehen sind derzeit neben Gehrys Zeichnungen und Modellen (und den ebenfalls von ihm geschaffenen, unter dem Dach des Restaurants aufgehängten Fischen) vor allem Bilder von Gerhard Richter, Werke von Ólafur Elíasson und Thomas Schütte sowie ein kleiner Teil aus der Sammlung von Arnault.

Paris verteidigt seinen historischen Ruf als Kunstkapitale und damit sein „Markenzeichen“, meint der neue Direktor des Picasso-Museums, Laurent Le Bon. Frankreich habe kein Erdöl, dafür aber Ideen und Kultur, scherzt er in Anlehnung an einen Werbespruch. Das erkläre auch die außergewöhnliche Attraktivität der Hauptstadt, die dank öffentlicher Finanzierung und privater Initiativen wie der Fondation Louis Vuitton Menschen aus aller Welt anziehe. Die „alte Dame“ wirkt nach der gegenwärtigen Verjüngungskur erstaunlich dynamisch.