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Archiv-Artikel

Planspiel zum „Schutz von Zivilisten“ in Darfur

UN-Generalsekretär legt radikales Konzept für „große, mobile und robuste“ Eingreiftruppe in Sudans Kriegsgebiet vor

BERLIN taz ■ UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon macht einen neuen Anlauf für eine robuste Militärintervention im sudanesischen Darfur. Ein neuer Plan zu einer gemeinsamen Darfur-Eingreiftruppe von UNO und Afrikanischer Union (AU), der der taz vorliegt und dem UN-Sicherheitsrat am Donnerstag übermittelt wurde, sieht „eine große, mobile und robuste Militärstreitmacht“ vor, deren Hauptaufgabe sein müsste, „Gewalt abzuschrecken, auch präemptiv“. Noch gestern sollte der UN-Sicherheitsrat in einer Erklärung Sudans Regierung auffordern, sich auf Diskussionen darüber einzulassen.

Der neue Vorschlag geht über bisherige Eingreifmodelle hinaus. Zur Diskussion gestellt wird eine Truppe von entweder 19.555 oder 17.605 Soldaten. Sie „sollte sich auf den Schutz von Zivilisten, die Erleichterung vollen humanitären Zugangs und die Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen in ihre Heimat konzentrieren“, heißt es in dem Konzept, „einschließlich durch aktive Herstellung von Sicherheit, robuste Patrouillen und Überwachung des Rückzugs von Langstreckenartillerie“.

Dafür brauche die Truppe Transport- und Luftangriffskapazitäten. Zunächst müsse die Sicherheit von Vertriebenenlagern gewährleistet sein; dann könne die Eingreiftruppe „allmählich Sicherheit ausdehnen“. Geführt werden müsse diese Eingreiftruppe, die unabhängig von der bestehenden UN-Blauhelmmission in Südsudan agieren soll, von einem von der UNO und AU gemeinsam zu bestimmenden Sonderbeauftragten und von AU-Militärkommandanten.

Der neue Eingreifvorschlag folgt auf erneute Versuche Sudans, die Verstärkung der bestehenden 7.000 Mann starken AU-Truppe in Darfur mit Logistik, Technik und Beratung durch die UNO zu blockieren. Nach wie vor sperrt sich Sudans Regierung strikt dagegen, dass im Rahmen dieses bereits vereinbarten Konzepts auch UN-Soldaten als Teil der AU-Mission in Darfur stationiert werden oder dass es eine eigene UN-Rolle in der Kommandostruktur gibt.

Wie der neue Vorschlag angesichts der Ablehnung einer UN-Intervention in Darfur durch Sudans Regierung jemals umgesetzt werden soll, ist unklar. Der Zeitpunkt ist jedoch kein Zufall. Politische Entwicklungen in wichtigen Mitgliedsländern des UN-Sicherheitsrats tendieren derzeit zu einer robusteren Eingreifstrategie. Seit April haben im US-Kongress mehrere Anhörungen zu einem militärischen Eingreifen im Sudan stattgefunden. Frankreichs neuer Außenminister Bernard Kouchner ist als Befürworter robuster Militärinterventionen zum Schutz gefährdeter Zivilbevölkerungen bekannt. China, traditioneller Verbündeter des sudanesischen Regimes und Hauptimporteur sudanesischen Erdöls, mehrt in den letzten Wochen die Signale, dass es bereit ist, mehr Druck auf Sudan auszuüben.

In Darfur sind seit dem Beginn einer Rebellion gegen die Zentralregierung 2003 und dem Einsetzen organisierter Vertreibungen und „ethnischer Säuberungen“ durch die Regierung 2004 fast die Hälfte der sechs Millionen Bewohner vertrieben oder umgebracht worden.

DOMINIC JOHNSON