Firmensteuern sinken

Bundestag beschließt Steuersenkung für Unternehmen und Kapitalerträge. Keine Einigung zu Erbschaftsteuer

„Großer Wurf der großen Koalition“ oder „Milliardensegen für Großkonzerne“

BERLIN ap ■ Die Unternehmen in Deutschland können sich auf Steuerentlastungen in Milliardenhöhe einstellen. Der Bundestag beschloss gestern die seit Monaten heftig umstrittene Unternehmensteuerreform. Sie soll am 1. Januar 2008 in Kraft treten. Die Steuerlast für Kapitalgesellschaften sinkt dann von derzeit rund 39 auf knapp unter 30 Prozent. Ab 2009 wird eine Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge von 25 Prozent eingeführt; diese unterliegen bisher dem individuellen Einkommensteuersatz von bis zu 45 Prozent.

Obwohl die Koalition sich ursprünglich auf eine aufkommensneutrale Reform geeinigt hatte, soll das Gesetz den Unternehmen nun eine Entlastung von mindestens 5 Milliarden Euro jährlich bringen. Für die Reform stimmten 391 von 557 Abgeordneten. Es gab 149 Gegenstimmen und 17 Enthaltungen. Die noch ausstehende Zustimmung des Bundesrates gilt als sicher.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück wertete die Reform als „großen Wurf“ der großen Koalition. „Diese Unternehmensteuerreform sorgt dafür, dass der Investitionsstandort Deutschland für alle attraktiver wird, die hier investieren wollen“, sagte der SPD-Politiker. Mit der Senkung der Steuersätze komme Deutschland mit seiner Steuerbelastung „wieder ins europäische Mittelfeld“.

Für die Linksfraktion sprach der Fraktionsvorsitzende Oskar Lafontaine von einem „Milliardensegen für die Großkonzerne“, der absolut unvertretbar sei. Der FDP-Finanzexperte Carl-Ludwig Thiele warf der Bundesregierung vor, es sei ein Kardinalfehler, durch die Reform nicht alle Unternehmen und alle Bürger in Deutschland zu entlasten. Die neue Zinsschranke treffe viele Unbeteiligte in Deutschland. Die Grünen-Haushaltsexpertin Christine Scheel bezeichnete das Gesetz als Stückwerk, das unkalkulierbare Auswirkungen auf die Unternehmen und die Steuereinnahmen berge.

Industrie und Handel reagierten mit teils scharfer Kritik. Die beschlossene Steuersatzsenkung müsse von den Unternehmen teuer erkauft werden, erklärte BDI-Präsident Jürgen Thumann. Ähnlich äußerte sich der Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels. Der Einzelhandelsverband forderte dringende Nachbesserungen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund sprach von „Bonbons für die Wirtschaft“, die der Arbeitnehmer bezahlen müsse.

Auf Wunsch der Sozialdemokraten wurde parallel ein Entschließungsantrag zur Erbschaftsteuerreform verabschiedet, mit dem die SPD eine höhere Belastung großer Vermögen erreichen will. Einzelheiten werden noch verhandelt. Damit sollen auch Forderungen des Verfassungsgerichts umgesetzt werden, das die Steuerbemessung im November als verfassungswidrig eingestuft hatte. Scheel kritisierte, der Entschließungsantrag schaffe keine Rechtssicherheit und sei deshalb „eine politische Frechheit“.