: Hier räumt die Polizei
Mehr als 6.000 Globalisierungskritiker haben gestern in Hamburg gegen den Asem-Gipfel demonstriert, doch die Kundgebung wurde von den Veranstaltern vorzeitig abgebrochen. Sie beklagten das zu harte Vorgehen der Polizei
Mit mehreren Wasserwerfern hat die Polizei gestern Abend kurz vor Redaktionsschluss Barrikaden vor dem Veranstaltungszentrum „Rote Flora“ im Hamburger Schanzenviertel geräumt. Demonstranten hatten die Barrikaden aus aus Gitterzäunen und Baumaterial kurz zuvor aufgebaut. Zuvor hatten rund 6.000 Menschen friedlich gegen das EU-Asien-Außenministertreffen (Asem) protestiert. Allerdings hatte ein massives Polizeiaufgebot die Kundgebung begleitet. Demo-Organisator Andreas Blechschmidt nannte den Wanderkessel der Polizei „versammlungsrechtlich einen Skandal“. TAZ / DPA
VON KAI VON APPEN UND ANDREAS SPEIT
Die Demonstration der Anti-Globalisierungsbewegung gegen das Asia Europe Meeting (Asem) in Hamburg ist von den Veranstaltern vorzeitig abgebrochen worden. Im Anschluss ist es in den gestrigen frühen Abendstunden zu massiven Polizeieinsätzen im Innenstadt-Bereich gekommen. Gruppen des so genannten Schwarzen Blocks wurden von der Polizei eingekesselt. „Das Versammlungsrecht gilt nicht mehr, jetzt gilt das Polizeirecht“, hieß es zur Begründung. Betroffene könnten sich ja an die „Beschwerdestelle“ wenden.
„Hier regiert der Polizeistaat“, hieß es von Seiten der Demonstranten, die teilweise von Polizisten gejagt wurden. Die Polizei riegelte ganze Straßenzüge in die City ab – der U- und S-Bahnverkehr wurde zeitweilig eingestellt. Über die Zahl der Festnahmen gab es zunächst keine konkreten Angaben.
Das Vorgehen der Polizei war von Anfang so angelegt, dass ein geordneter Protest der Globalisierungs-Kritiker gegen den Asem-Gipfel zu keinen Zeitpunkt möglich war. Das große Polizeiaufgebot von 2.500 BeamtInnen mit dutzenden Wasserwerfen und Panzerwagen sorgte schon am Treffpunkt für eine angespannte Atmosphäre. Während des Protestmarsches über die Reeperbahn und Hafenstraße bildete die Polizei einen „Wanderkessel“, also ein Polizeispalier auf beiden Seiten, das sich mit dem Zug mitbewegte, Dazu kommen zahlreiche Stopps.
Drei Stunden brauchten die über 6.000 Globalisierungs-Kritiker, um von St. Pauli in Citynähe zu gelangen. Schließlich brach die Versammlungsleitung die Demonstration genervt ab. „Ein vorgetäuschte Versammlungsrecht lassen wir uns mehr länger gefallen“, hieß es.
Schon auf dem Weg durch St. Pauli hatte es immer wieder kurze Geplänkel gegeben, wobei Polizisten auch Pfefferspray und Schlagstöcke einsetzten. Zur Begründung für ihr Vorgehen gaben sie an, einzelne an der Seite mitgeführte Transparente würden nicht den Längen-Vorgaben entsprechen. Demonstranten reagierten mit Sprechchören wie „BRD, Bullen-Staat, wir haben sich zum Kotzen satt“ und „Nur für Arbeit gibt es einen Lohn, Bullen in die Produktion“.
Lediglich an den Landungsbrücken war eine geordnete Zwischenkundgebung möglich, obwohl es dort beinahe durch einen Fehler der Polizei zu einer Eskalation gekommen wäre. Die Einsatzführer hatten geglaubt, dass die Route direkt an den Kais verlaufen sollte. „Ein Missverständnis “, wie der Anmelder erklärte. Aber als die Demonstranten zuvor einfach der richtigen Weg folgen wollten, stoppte die Polizei den Zug. Die Beamten schubsten und schlugen, Wasserwerfer gingen in Position, auf der Gegenseite wurden Knallkörper geworfen, bis das „Missverständnis“ aufgeklärt war.
Auf den Landungsbrücken blieben vielen Touristen stehen. Einige zückten ihre Camcorder. „Wir sind die guten“, skandierten Protestierenden, eine Clown-Armee machte Faxen. Über den Lautsprecherwagen erklärte eine Rednerin, dass beim Asem-Gipfel „die Herren die neuen Märkte verteilten und die alten Märke wieder absichern“, die Menschen seien nur noch Ware.
„Die Razzien und Briefkontrollen schüchtern uns nicht ein“, sagte ein Redner. Die Aktionen der Polizei im Vorfeld hätten die Anti-G8-Bewegung gestärkt. Das polizeiliche Vorgehen sei Produkt eines „Sicherheitswahns“. Einige Passanten applaudierten.
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