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Archiv-Artikel

Aug in Aug mit dem eigenen Zombie

MOKS-THEATERSCHULE Mit einer beeindruckenden „Monster“-Inszenierung geht die künstlerische Leitung der „Jungen Akteure“ durch Martin Thamm und Tanja Spinger zu Ende

Von HENNING BLEYL

Die Katakomben unter dem Schauspielhaus sind ein passender Ort für „Monster“. Durch lange schummerige Gänge schleust sich das Publikum in Richtung der eigentlichen Inszenierungsstätte, immer wieder staut sich der Besucherstrom, um kurze Mitteilungen zu lesen: Nüchterne Informationen über getötete Jugendliche und Familienväter – Nachrichten aus dem bundesweiten ÖPNV der vergangenen drei Jahre.

Irgendwann und irgendwo, man weiß noch nicht recht, wo man eigentlich ist, stehen die „Monster“ vor einem: Jugendliche in etwa dem Alter, in dem die Mehrzahl der benannten TäterInnen war. Ihre potentielle Bösartigkeit ist durch bluttriefende Mundwinkel und dunkle Schatten unter den Augen kenntlich gemacht, derart als Zombies stilisiert veranstalten sie eine Art Proll-Prolog: „Ich wollte eigentlich das Opfer spielen“, schreit einer (der dann nur der Freund des Opfers wurde), ein anderer beteuert, wie toll es ist, Täter zu sein: „Das ist wow!“ Ausgiebig – etwas zu ausgiebig – rattern die die Rollen-Reflexionen durch den großen Raum, der sich währenddessen als Moks offenbart. Das Publikum steht mitten im komplett leer geräumten Bühnenkubus, der ungeahnte Dimensionen hat.

In einer Ecke ist Platz für ein veritables Orchester. 20 MusikerInnen begleiten mit einem eigens von Efrain Oscher komponierten Soundtrack das Bühnengeschehen, fast wie ein Stummfilmorchester, nur dass die SchauspielerInnen alles andere als stumm sind. Sie toben, schreien und tanzen, weil Gewalt nun mal ein energiegeladenes Thema ist – Regisseur Martin Thamm hat das neunköpfige Ensemble der „Jungen Akteure“ durch eine Kaskade eigener und fremder Erfahrungen geschleust, die nahtlos an die emotionalen und räumlichen Nadelöhre anschließt, durch die die Zuschauer, gespickt mit Gewaltinformationen, in den unterirdischen Gängen mussten. Jetzt lernen sie viel über Gefühle, Waffen-Fetischismus und die Wahrscheinlichkeit, Opfer zu sein – zu den vorbereitenden Recherchen zur „Monster“-Produktion gehörten beispielsweise ausgiebige Interviews mit den MitarbeiterInnen des Bremer „Täter-Opfer-Ausgleichs“.

„Monster“ ist die letzte Inszenierung der „Jungen Akteure“ unter der Leitung von Martin Thamm und Tanja Spinger, die die Moks-Theaterschule 2006 von Thorsten Wilrodt übernahmen. Über die fünfjährige Arbeit der beiden, die gerade mit dem Preis der „Internationalen Vereinigung des Theaters für Kinder und Jugendliche“ (ASSITEJ) ausgezeichnet wurde, ist Moks-Chefin Rebecca Hohmann „voll des Lobes“: Die Etablierungsphase der Theaterschule sei „auf einem sehr hohen Niveau abgeschlossen“, der Zulauf mit fast 300 aktiven Kindern und Jugendlichen pro Spielzeit groß. Nun müsse daran gearbeitet werden, dass sich auch deren regionaler Rahmen deutlich über das Viertel hinaus ausweite.

Die künftige Junge-Akteure-Anführerin ist Nathalie Forstmann, die bislang auf freiberuflicher Basis als Werkstattleiterin der Jungen Akteure tätig war. Dass ihrer Leitungsfunktion das Wörtchen „künstlerisch“ fehlt, ist laut Hohmann nur ein vorübergehendes Phänomen: Die Selbstständigkeit der Jungen Akteure werde keineswegs eingeschränkt, auch die eigene Identitäts-Ausprägung bleibe mit dem Sitz im Theaterkontor in der Schildstraße, einer eigenen Leitung und dem Belassen des bisherigen finanziellen Rahmens erhalten. Durch regelmäßige Produktionen mit Gastregisseuren solle das künstlerische Spektrum erweitert werden, eine intensivere Zusammenarbeit mit den Werkstätten des Haupthauses die technische Leistungsfähigkeit der Jungen Akteure verbessern. Letztere wurde mit „Monster“ bereits jetzt eindrucksvoll bewiesen.

Die nächsten Aufführungen: 23., 24. und 25. Juni, 18.30 Uhr. Empfohlen ab 15 Jahren