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Archiv-Artikel

Mubarak konsolidiert die Diktatur

Eine Verfassungsreform sichert der ägyptischen Regierung auch künftig die Macht. Die Muslimbrüder bleiben als Partei von allen politischen Institutionen ausgeschlossen

KAIRO taz ■ Eine Verfassungsreform, die dem Land am Nil einen „demokratischen Schub“ gibt, hatte der ägyptische Präsident Husni Mubarak versprochen. Es sollte die zentrale Errungenschaft seiner fünften Amtszeit werden.

Nun ist es so weit, doch allein die Szenen im Parlament in Kairo, das der Verfassungsänderung zugestimmt hat, passen so gar nicht zu dem Label der demokratischen Reform. „Mit unserem Blut und unserer Seele opfern wir uns für dich, Mubarak“, riefen die Abgeordneten der ägyptischen Regierungspartei, die dreiviertel der Sitze in der 454-köpfigen Volkskammer in Kairo innehat. Zu diesem Zeitpunkt waren 100 Abgeordnete der Opposition, meist islamistische Muslimbrüder, bereits aus Protest aus dem Parlament ausgezogen.

Die Verfassungsreform umfasst mehrere umstrittene Artikel, in denen der Judikative das Recht entzogen wird, die Wahlen zu überwachen. Außerdem wird ein neues Antiterrorgesetz eingeführt, das die seit 1981 geltenden Notstandsgesetze ablösen soll, das aber den Sicherheitskräften weitgehende Rechte verfassungsmäßig garantiert.

„Die Verfassungsreform stellt die größte Erosion von Menschenrechten in Ägypten seit einem Vierteljahrhundert dar“, lautete das erste Urteil von Amnesty International. Die Opposition spricht von einer „Konsolidierung der Diktatur“ im bevölkerungsreichsten arabischen Land. Verärgert ist sie auch über die Hast, mit der die Reform eingeführt wurde. Das Parlament hatte darüber überraschend am Montagabend, einen Tag früher als erwartet, abgestimmt. „Diese Eile ist ein politisches Verbrechen, unsere Verfassung ist schließlich kein Stück Klopapier“, erklärte Abdel Halim Kandil, einer der führenden Aktivisten in der linken und liberalen Kifaja-Bewegung, zu Deutsch „Es reicht!“-Bewegung, in Anspielung auf ein Vierteljahrhundert Mubarak-Amtszeit. „Wie Diebe in der Nacht“ hätte die Regierung die Veränderung eingeführt, meint auch Hamdi Hassan, ein Sprecher der Muslimbrüder. Über die Verfassungsreform soll jetzt fast ebenso schnell in einem Referendum abgestimmt werden, möglicherweise bereits nächste Woche, spätestens aber nächsten Monat. Die Opposition überlegt, ob sie die Volksabstimmung boykottiert.

Einer der 34 modifizierten Artikel verbietet Parteien auf religiöser Grundlage. Dieser Passus zielt ab auf die größte Oppositionsbewegung, die halblegalen Muslimbrüder, die bei den letzten Parlamentswahlen 2005 trotz massiven Wahlbetrugs der Regierung ein Fünftel der Stimmen gewonnen hatten. Ihre Abgeordneten sind nicht als Partei, sondern als Unabhängige im Parlament vertreten.

Als Präsidentschaftskandidat darf fortan nur noch antreten, wer einer legalen Partei angehört, die mindestens drei Prozent der Stimmen im Parlament besitzt. Nach heutiger Parlamentszusammensetzung erfüllt lediglich die Regierungspartei Mubaraks dieses Kriterium.

Damit dies auch so bleibt, gibt es einen geänderten Artikel in der Verfassung, der der Judikative de facto die Kontrolle über die Wahlen entzieht. Bei den letzten Parlamentswahlen hatten einige Richter der Regierung offen Wahlbetrug vorgeworfen. Fortan soll eine von der Regierung eingesetzte Kommission wieder die Wahlen überwachen.

Eingeführt wird auch ein neues Antiterrorgesetz. Am umstrittensten ist dabei, dass der Präsident jeden Fall, der ein „terroristisches Verbrechen“ betrifft, an ein von ihm bestimmtes Gericht überstellen darf. Was „terroristisch“ ist, definiert der Staatschef selbst. Damit wird die bisherige Praxis, dass der Präsident viele Fälle kurzerhand der für ihn verlässlichen Militärgerichtsbarkeit übergibt und damit das zivile ägyptische Gerichtswesen de facto aushöhlt, weitergehen.

Die Verfassungsänderung ist ein Ausdruck dafür, wie sicher sich die Regierung Mubarak im Sattel fühlt. Stand das ägyptische Regime noch vor zwei Jahren unter Druck aus Washington, echte politische Reformen durchzuführen, braucht die US-Regierung heute ihren ägyptischen Verbündeten in den Krisen im Libanon, im Irak und in den palästinensischen Gebieten mehr denn je. Der ägyptische Außenminister jedenfalls hat jegliche internationale Kritik zurückgewiesen. „Außenstehende“, sagte Ahmed Aboul Gheit, „haben nicht einmal das Recht, über die ägyptische Verfassungsreform eine Meinung abzugeben.“