: Weniger sparen, weniger zahlen
EU-GIPFEL Regierungschefs streiten sich lauthals: Wenn’s ums Geld geht, hört die Freundschaft auf
GROSSBRITANNIENS PREMIER DAVID CAMERON SCHIMPFT ÜBER MILLIARDENNACHFORDERUNG DER EU
AUS BRÜSSEL ERIK BONSE
Auf die Europäische Union kommt eine neue Zerreißprobe zu. Gleich zwei große EU-Länder – Italien und Großbritannien – legten sich am Rande des Gipfels in Brüssel mit der EU-Kommission an. Außerdem werden neue Milliardenzahlungen für die vom Krieg zerrissene Ukraine fällig. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte großzügige Hilfe zu.
Für großen Wirbel sorgte zunächst der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi. „Die Zeit der vertraulichen Briefe ist vorbei“, sagte Renzi, nachdem die italienische Presse einen blauen Brief von EU-Währungskommissar Jyrki Katainen veröffentlicht hatte. Darin warnt Katainen Italien vor einer Verletzung der gemeinsam vereinbarten Sparziele.
Eigentlich sollte der Brief – der in ähnlicher Form auch an Frankreich und drei weitere „Schuldensünder“ geschickt worden war – geheim bleiben. Doch Renzi fordert eine offene Diskussion über den Stabilitäts- und Wachstumspakt. Italiens Regierungschef will erst im Jahr 2017 und nicht wie verabredet schon ein Jahr früher einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen.
Der Konflikt dürfte in den nächsten Wochen weiter hochkochen, denn auch Frankreich setzt sich über die EU-Vorgaben hinweg. Bundeskanzlerin Merkel, die in der Eurokrise neue, striktere Haushaltsregeln durchgesetzt hatte, unterstützt die EU-Kommission. Bei dem Gipfeltreffen in Brüssel wollte sie allerdings öffentlich keine Stellung beziehen.
Für erheblichen Unmut sorgt auch eine Milliardennachforderung der Kommission an das europaskeptische Großbritannien. London soll bis zu 2,1 Milliarden Euro nachschießen, weil die britische Wirtschaft stärker als erwartet wächst. Auch Italien und Griechenland sollen mehr zahlen. Demgegenüber könnte Deutschland sogar 780 Millionen Euro aus Brüssel zurückfordern.
„Das ist absolut inakzeptabel, ich werde das nicht bezahlen“, schimpfte der britische Premier David Cameron. Er sei nicht allein, betonte er. Zu seinen Alliierten im neuen Budgetstreit zählt Cameron ausgerechnet Renzi. „Das ist keine Zahl, das ist eine tödliche Waffe“, hatte der Italiener die Nachforderung aus Brüssel kommentiert.
Nun sollen die EU-Finanzminister den Schlüssel für die Beiträge zum EU-Haushalt überprüfen. Großbritannien profitiert bereits seit Jahren von dem sogenannten Britenrabatt, den die frühere Premierministerin Margaret Thatcher dereinst unter drohendem Schwingen mit ihrer Handtasche durchgeboxt hatte. Gemeinsam mit Angela Merkel hatte David Cameron zudem Kürzungen am EU-Budget erzwungen.
Weniger kontrovers ist die neue Finanzhilfe für die Ukraine. Dabei erfüllt das von der Pleite bedrohte Land kaum eine der zahlreichen EU-Reformauflagen. Angela Merkel schlug beim EU-Gipfel vor, Kiew in der Zahlung seiner Gasrechnung an Russland zu helfen – es geht um bis zu zwei Milliarden Euro. Zudem soll sich die EU an einem geplanten neuen Hilfsprogramm des Internationalen Währungsfonds beteiligen.