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Archiv-Artikel

sonderzüge Affront gegen die treuesten Kunden

Die Bahn hat sich nie besonders für die Meinung ihrer Kunden interessiert – weder bei Tarifreformen noch bei Netzveränderungen wie der Abmeldung des Bahnhofs Zoo. Der neueste Coup aus dem Hause Mehdorn steht also in einer gewissen Tradition, dennoch muss man ihn sich auf der Zunge zergehen lassen. Da wollen Tausende aus Berlin zum G-8-Protest nach Rostock fahren, doch die Bahn schickt keinen einzigen Sonderzug auf die Schiene. Mit dieser Posse schadet der Konzern allen Beteiligten: den enttäuschten Kunden, vor allem aber sich selbst.

KOMMENTAR VON ULRICH SCHULTE

Viele Berliner G-8-Protestler suchen jetzt schon verzweifelt nach einer Fahrgelegenheit. Der Verweis der Bahn auf den planmäßigen Regionalexpress muss ihnen wie eine Verhohnepipelung vorkommen. Dennoch stellt der Konzern auf stur. Seine Motive bleiben dabei im Dunkeln. Bei Events wie der Loveparade sind Sonderzüge nie ein Problem, auch in Norddeutschland fahren Zusatzzüge nach Rostock.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht mutet die Verweigerungshaltung in Berlin und Brandenburg seltsam an. Schließlich treten die G-8-Kritiker, eine Mischung aus Studenten, Naturschützern und anderen Linksbewegten, genau für das ein, was die Bahn als Alleinstellungsmerkmal gegenüber Flugzeug und Auto bewirbt: für entspanntes Reisen, für Klimaschutz, für umweltfreundliche Fortbewegung. Anders gesagt: Die Bahn verprellt ihre ureigene Klientel.

Zugleich beraubt sie sich der Chance, mit ein paar Sonderzügen billige Werbung zu betreiben, neue Kunden zu gewinnen und – nicht zuletzt – Kasse zu machen. Vielleicht sollte sich Hartmut Mehdorn die Sache mit der Privatisierung noch einmal überlegen. Denn die Sonderzug-Posse vor dem G-8-Gipfel belegt: Die Bahn hat den Markt noch nicht verstanden.