Berlusconi räumt im Norden ab

Bei den italienischen Kommunalwahlen erobert die oppositionelle Rechtskoalition bisher links regierte Mittelstädte. Spannungen in der Regierung dürften sich verschärfen

ROM taz ■ Als Sieger nach Punkten ist Italiens Oppositionsführer Silvio Berlusconi aus den Kommunalwahlen hervorgegangen. Vor allem im Norden des Landes gelang es seiner Rechtskoalition, einige bisher links regierte Mittelstädte mit großem Vorsprung zu erobern. Ministerpräsident Romano Prodi durfte sich dagegen über ein paar Überraschungserfolge in der Mitte und im Süden freuen.

Gut ein Jahr nach Prodis Erfolg bei den nationalen Wahlen erlebte Italien am Sonntag und Montag erstmals einen aussagefähigen Test für die Mitte-links-Regierung. Mehr als zehn Millionen Menschen waren aufgerufen, gut 800 Bürgermeister und Gemeinderäte sowie sieben Provinzpräsidenten zu wählen. Offenkundig war, dass die Regierung sich bei diesem Test in der Defensive befand. Auch breite Teile der eigenen Wählerschaft zeigen sich enttäuscht über eine Wirtschafts- und Sozialpolitik, die zwar den Staatshaushalt saniert hat, die versprochenen Steuersenkungen und Erhöhungen von Sozialleistungen aber bisher nicht gewährte.

Die Quittung gab es vor allem im reichen Norden. Zwar ist das Ergebnis von einem Katastrophenszenario weit entfernt, da es der Linken gelang, mit Genua die wichtigste Stadt wieder für sich zu erobern. Doch zugleich gingen zahlreiche Kommunen verloren, die Prodis Bündnis 2002 hatte erobern können.

In Verona wurde der Mitte-links-Bürgermeister geradezu gedemütigt. Er kam auf 37 Prozent, während sein Gegenkandidat von der Lega Nord gut 60 Prozent erzielte. Der neue Bürgermeister Flavio Tosi war für die große Mehrheit der Veronesen wählbar, obwohl er mit Vorschlägen wie der Einführung getrennter Buseingänge für Italiener und Ausländer auf sich aufmerksam gemacht hatte. Ähnliche Erdrutschsiege gelangen dem Berlusconi-Block auch in Alessandria, Monza, Asti und Gorizia.

Prodi wiederum darf sich damit trösten, dass sein Lager die Mittelstadt L’Aquila in den Abruzzen der Rechten abnehmen konnte und dass auch das seit gut 60 Jahren immer rechts regierte Agrigent auf Sizilien an sein Lager fiel. Die Vertreter der Regierungskoalition lehnten die angesichts der Resultate von rechts ertönenden Rücktrittsforderungen ab. Prodi selbst hatte schon vor dem Wahlgang dem Resultat rein kommunalpolitische Bedeutung beigemessen. Doch er selbst weiß nur zu genau, dass dies nicht stimmt. Nicht umsonst gab es gleich nach Bekanntwerden der Ergebnisse recht nervöse Reaktionen aus der eigenen Koalition. So erklärte Piero Fassino, Chef der Linksdemokraten – der größten Koalitionspartei – die Koalition müsse auf das Warnsignal reagieren. Leicht wird das nicht werden, denn Fassino möchte auch den zahlreichen Kleinunternehmern des Nordens entgegen kommen. Auf der anderen Seite aber steht die radikale Linke in der Koalition, die bei den Wahlen einige lokale Erfolge erringen konnte und jetzt ein stärkeres Gewicht im Bündnis reklamiert.

Die Spannungen in der Koalition, die im Senat nur eine hauchdünne Mehrheit hat, werden zudem durch bevorstehende Parteigründungsprojekte erhöht. Einerseits wollen sich die Linksdemokraten und die Mittepartei Margherita zur „Demokratischen Partei“ zusammenschließen. Andererseits haben der von den Linksdemokraten abgespaltene linke Parteiflügel, die beiden Kommunistischen Parteien und womöglich auch die Grünen das Projekt, eine stramm linke Partei zu bilden. MICHAEL BRAUN