Der Druck auf Sudan nimmt zu

USA erweitern Sanktionen. Frankreich erwägt Eingreifen aus Tschad. Auch EU-Truppe denkbar

„Europäische“ Truppe für „humanitäre Korridore“ aus Tschad

VON DOMINIC JOHNSON

Der internationale Druck auf Sudans Regierung wegen der unverändert dramatischen Lage in Darfur nimmt zu. US-Präsident George Bush verhängte gestern eine Reihe von unilateralen Sanktionen gegen „Verantwortliche für Gewalt“ im Sudan. Mit US-Finanzsanktionen belegt sind nunmehr der Chef des sudanesischen Militärgeheimdienstes, Ahmed Ibn Auf; der wegen seiner Verantwortung für Kriegsverbrechen bereits vom Internationalen Strafgerichtshof verfolgte ehemalige Innenstaatssekretär Ahmed Mohamed Haroun; sowie der Gründer der radikalsten Darfur-Rebellenbewegung JEM (Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit), Khalil Ibrahim. Zugleich wird die Liste der vom US-Finanzsystem ausgeschlossen sudanesischen Firmen, auf der bereits rund 100 Unternehmen stehen, um 31 erweitert.

Die US-Regierung macht mit diesem Schritt deutlich, dass sie nicht mehr auf Konsens im UN-Sicherheitsrat warten will, um schärfere Maßnahmen gegen das Regime in Sudans Hauptstadt Khartum zu ergreifen. US-Teilsanktionen gegen Sudan sind bereits seit 1997 in Kraft.

Bush sagte gestern, er werde ferner „mit Großbritannien und anderen Alliierten“ Beratungen über eine UN-Resolution aufnehmen, um das geltende Waffenembargo gegen Sudan auszuweiten und eine Flugverbotszone für Sudans Militär über Darfur einzurichten. Eine Einigung auf eine solche UN-Resolution ist jedoch unwahrscheinlich. China, größter Abnehmer von Sudans wichtigstem Exportprodukt Erdöl, hat bereits seine Ablehnung von Bushs Plänen erklärt.

Bereits am Freitag hatte der UN-Sicherheitsrat jedoch seine prinzipielle Billigung des bisher weitestreichenden UN-Militärinterventionsplans für Darfur ausgesprochen. Der dafür am Donnerstag von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon vorgelegte Bericht, der eine „große, mobile robuste“ Eingreiftruppe mit Luftangriffskapazitäten vorschlug, sollte „sofort beraten und weitergeführt“ werden, hieß es in einer Erklärung des Rats. Außerdem sollten die Beschlüsse zur Bildung einer gemeinsamen Eingreiftruppe aus UNO und Afrikanischer Union (AU) „unverzüglich“ und „komplett“ umgesetzt werden.

Sanktionen gegen „Verantwortliche für Gewalt“ in Sudan

Falls der andauernde Streit zwischen Sudan und UNO über dieses Thema nicht rasch beigelegt wird, gibt es inzwischen eine weitere Option für ein militärisches Eingreifen in Darfur. Frankreichs neuer Außenminister Bernard Kouchner brachte am Montag am Rande des EU-Asien-Gipfels „Asem“ in Hamburg die Idee einer „Sicherung eines humanitären Korridors aus dem Tschad“ nach Darfur ins Gespräch. Eine „UN-mandatierte Truppe mit europäischer Komponente“ sei dafür denkbar, hieß es seitens seiner Berater.

Kouchners Vorstoß öffnet die Tür zu einer Debatte über einen Bundeswehreinsatz in Darfur. Denn eine „UN-mandatierte Truppe mit europäischer Komponente“ deutet auf das Modell der „Eufor“ in der Demokratischen Republik Kongo hin, die dort 2006 unter deutscher Führung die Wahlen absicherte. Verschiedentlich ist dieser Einsatz seither als Probelauf für weitere gemeinsame EU-Militäraktionen in Afrika dargestellt worden. Ansonsten hat Frankreich bereits 1.000 Soldaten und hochmoderne Kampfflugzeuge in Tschad stationiert. EU-Chefaußenpolitiker Javier Solana äußerte sich in Hamburg „im Prinzip einverstanden“ mit Kouchners Idee.

Dem Vernehmen nach ist sein Vorstoß nicht mit Deutschland oder anderweitig in der EU abgesprochen, aber unerwartet kommt er dennoch nicht. Kouchner, einst Gründer des Hilfswerks Ärzte ohne Grenzen, hatte im französischen Wahlkampf – damals noch als Sozialist – für militärische Mittel in Darfur plädiert und am 22. Mai seine erste Arbeitssitzung nach seiner Ernennung zum Außenminister Darfur gewidmet. In Hamburg sprach er jetzt darüber mit seinem chinesischen Amtskollegen Yang Yiechi. Die Bundesregierung wird kaum während ihrer in einem Monat endenden EU-Ratspräsidentschaft dazu Stellung beziehen wollen. Sie steht allerdings in der Defensive, denn die Vorstöße aus Washington und Paris setzen Zeichen im Vorfeld eines G-8-Gipfels, auf dem Darfur trotz aller Afrika-Debatten bisher kein Thema war.

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