: „Das ist eine perverse Quotenschinderei“
Hans Wilhelm Gäb, Vorsitzender von „Sportler für Organspende e. V.“, kann der niederländischen Show nichts abgewinnen. Er klagt: „Es wäre ganz leicht, die drei Menschen, die jeden Tag auf der Warteliste sterben, zu retten – wenn mehr Menschen Organe spenden würden“
taz: Herr Gäb, was halten Sie vom Konzept der niederländischen Fernsehsendung „Big Donor Show“, bei der es eine Niere zu gewinnen gibt? Ist es pervers, so etwas im Fernsehen zu zeigen?
Hans Wilhelm Gäb: Im Kern ist es natürlich eine elende und perverse Quotenschinderei. Das Schlimme daran ist, dass die Verantwortlichen das mit dem Argument unterfüttern können, sie lenkten damit die öffentliche Aufmerksamkeit auf ein schwerwiegendes Problem – ob die Sendung in dieser Hinsicht überhaupt etwas bewirken kann, müsste man im Nachhinein beurteilen. Aber selbst wenn, wäre es nicht der richtige Weg. Für die Teilnehmer ist vielleicht die Hoffnung damit verbunden, dass Aufmerksamkeit auf ihr persönliches Schicksal gelenkt wird – selbst wenn sie nicht die Gewinner sind. Wenn man um sein Leben kämpft, nutzt man jede Chance.
Zwei der Kandidaten werden kein Spenderorgan in der Show bekommen. Was bedeutet das für die Betroffenen?
Ich weiß nicht, wie lange die drei Kandidaten an der Dialyse noch überleben können – das ist natürlich eine wichtige Frage, um das einschätzen zu können. Generell ist es ein sehr unwirkliches Erlebnis, auf ein Spenderorgan zu warten. Wenn ich mich an meine eigene Wartezeit erinnere – das ist wirklich ein dumpfer Albtraum, man lebt in einer andauernden Stresssituation, die man nur schwer beschreiben kann.
Die Produktionsfirma Endemol hat unter anderem „Big Brother“ nach Deutschland gebracht. Halten Sie eine Organspende-Show im deutsche Fernsehen für denkbar?
Im kommerziellen Fernsehen gibt es für mich wenig, was mir nicht denkbar erscheint. Da sind die Grenzen unserer Medienfreiheit ja weit gesteckt.
Auch in Deutschland warten mehr Menschen auf Organe, als es Spender gibt. Wie dramatisch ist die Situation in unserem Land?
Für 12.000 bis 14.000 Menschen,die auf ein Organ warten, ist die Situation latent dramatisch. Es ist eine Tragödie, dass unsere Gesellschaft nicht die notwenige Solidarität und das Mitgefühl aufbringt, um diesen Menschen zu helfen. Es wäre ja ganz leicht, die drei Menschen, die jeden Tag auf der Warteliste sterben, zu retten – wenn mehr Menschen Organe spenden würden.
INTERVIEW: JENS GRÄBER