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Archiv-Artikel

„Wir wollten keinen Migranten-Brad-Pitt“

KOMÖDIE Da lachten die Muslime und die Juden – nur den übrigen Briten stand die politische Korrektheit im Weg. Nun startet der Film „Alles koscher“ in Deutschland. Ein Gespräch mit dem Hauptdarsteller Omid Djalili

Omid Djalili

■ 1965 geboren, ist ein erfolgreicher Schauspieler und Stand-up-Comedian, dessen legendäre BBC-Serie „The Omid Djalili Show“ auch im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Der in London geborene Sohn eines iranischen Reporters und einer britischen Modeschöpferin studierte Englisch und Theaterwissenschaften und begann bereits früh mit Stand-up. Inzwischen ist auch Hollywood auf den preisgekrönten Komiker mit der markanten Glatze aufmerksam geworden, unter anderem spielte er in „Sex and the City 2“ und „Pirates of the Caribbean – Am Ende der Welt“.

INTERVIEW JULIA GROSSE

taz: Herr Djalili, der Londoner Drehbuchautor David Baddiel hat Sie als Komiker gesehen und die Rolle des Mahmud Nasir im Film „Alles koscher“ auf Sie zugeschneidert. Haben Sie und die Hauptfigur tatsächlich Ähnlichkeiten?

Omid Djalili: Das zumindest glaubt David! Er sah in Mahmud hundertprozentig mich: einen nicht besonders cleveren Muslim der zweiten Migrantengeneration aus England, der Fußball liebt und ständig „Fuck“ sagt. Ich sei das Bild des perfekten, britischen „Lad“. Dabei bin ich das gar nicht, und David war fast enttäuscht, als ich ihm sagte, dass ich im wirklichen Leben gar nicht so viel fluche!

Wie waren denn die Reaktionen der britischen Zuschauer?

Das Interessante: Die muslimischen und jüdischen Kinogänger und Medien haben den Film geliebt! Nur die Reaktionen der weißen Briten waren zum Teil verhalten.

Stand denen die eigene politische Korrektheit im Wege?

Es wirkte, als würden sie sich selbst verbieten zu lachen. Motto: Uuups, Humor zum Thema Religion und jüdische Kultur ist uns doch ein wenig zu heiß.

Ist die Hauptfigur an sich denn authentisch?

Absolut. Es war uns extrem wichtig, dass Mahmud kein Migranten-Brad-Pitt wird. Er sollte auch physisch normal und glaubwürdig wirken: etwas übergewichtig, nicht umwerfend attraktiv. Eben der typische britische Jedermann, und das kann im zeitgenössischen England ja längst jeder sein! Ein Pakistani ebenso wie ein Jude oder Iraner. Britisch ist nicht gleich weiß-britisch. Der Film ist nicht zuletzt auch ein Porträt über London.

Glauben Sie an Multikulturalismus?

Natürlich sind viele Gegenden Londons sehr durch ihre Kulturen geprägt. Jamaikanische Briten in Brixton, im Osten leben sehr viele Bengalen. Und es gibt tatsächlich auch nach wie vor Stadtteile, die sehr weiß sind. Dennoch „stört“ es niemanden, wenn in einer eher weißen, besseren Gegend plötzlich eine pakistanische Familie lebt. Sie wird toleriert, und genau hier liegt vielleicht das Problem: Tolerieren bedeutet nicht respektieren. Und genau diese Tendenz widerspricht einer Idee von Multikulturalismus. Das ist schade, aber wahr.

Mahmud erfährt, dass er adoptiert wurde und seine Wurzeln jüdisch sind. Plötzlich befindet er sich zwischen den Glaubensansichten. Welche Rolle spielt Religion im Film?

Mahmud steht zu seiner Religion wie viele Muslime der zweiten Generation: Sie haben im Grunde keine Ahnung von ihrem traditionellen Glauben. Sie sehen es wie einen Stamm, den sie verteidigen müssen, doch sie sind nicht informiert. Mahmud beginnt den Islam zu verstehen, als er gegen Ende des Films zu lesen beginnt. Erst durch das Wissen, das er über seinen Glauben erlangt, kann er wirklich loslassen, verliert den moralischen Druck.

Also gibt es für die Mainstreamkinogänger eine richtige Moral von der Geschicht’?

Die Nachricht ist recht einfach: Wenn man sich die Entwicklung der Menschen vorstellt wie einen langen Lebensweg, stecken wir gerade tief in der turbulenten Pubertät, mit Pickeln, Verwirrtsein und alle dem: Wir sind noch lange nicht erwachsen, es gibt nach wie vor Ignoranz, Kriege, Ungerechtigkeit. Und eines der Hauptthemen, mit denen wir immer noch überhaupt nicht weiterkommen, ist die Einheit der Religionen: Leute verstehen immer noch nicht, dass es, falls Gott existiert, nur einen gibt! Wir sind eins mit einer Religion. Um diesen Gedanken geht es auf eine Art auch im Film. Und das, obwohl Drehbuchautor David Baddiel bekennender Atheist ist!

Sie sind britisch-iranischer Abstammung und England aufgewachsen. Warum spielt Identität in Ihrer Show und den Stand-up-Auftritten so oft eine Rolle?

Weil Identität, besonders verstärkt durch die iranische Revolution, etwas war, womit ich extreme Probleme hatte. Als die Revolution begann, war ich ein Teenager, und für ungefähr sechs Wochen war der Iran täglich in den britischen Nachrichten. Das hat mich ziemlich geprägt, denn auf meiner Schule war ich ich so ziemlich der unattraktivste Junge, den man sich vorstellen kann: aus einem schrägen Land, das einen Schah hatte und mitten in einer Revolution steckte. Dabei war ich gar kein Muslim, sondern ein Bahai, was eigentlich eine ziemlich cooler Glaube ist, denn er steht für die Einheit der Menschheit! Doch ich war der Außenseiter und diese Erfahrung und Fragen nach Kultur, Religion und Migration haben mich seitdem als Komödiant stets begleitet.

Glauben Sie denn an Humor als Mittel, um den Leuten etwas klarzumachen?

Auf jeden Fall. Wenn man einen Punkt durchbringen will, ist Humor das perfekte Werkzeug, denn sobald Leute lachen, haben sie kapiert, was du ihnen sagen willst. Und das klappt mit Humor so viel besser als mit belehrendem Gerede. Neulich habe ich im Fernsehen eine dieser amerikanischen Prediger-Shows gesehen. Diese Typen sind inzwischen wie Stand-up-Comedians! Sie benutzen Humor, weil die Leute es lieben und sich sofort wohl fühlen. Motto: Hey, folks, es gibt da da diese witzige Geschichte über Gott?!

In der letzten Szene des Films unterhalten sich Mahmud und sein jüdischer Kumpel Lenny derbe über die „jüdische Nase“. Wurden am Set eigentlich viele Ausländerwitze gerissen?

Ehrlich gesagt, schon! Man kommt wohl in so einen überdrehten Fluss, doch nach bereits einer Woche sind uns die Witze tatsächlich schon ausgegangen! Wir wollten diese Szene am Schluss bringen, um zu zeigen, dass eine Art kultureller Konflikt zwischen den beiden weitergeht und dass sie auf eine abstrakte Art Freude daran haben, sich in dieses extrem besetzte Nasen-Thema total reinzusteigern!

„Alles koscher!“

■  Die Geschichte: Mahmud Nasir, ein verheirateter Muslim aus London, erfährt, dass er adoptiert wurde und eigentlich gebürtiger Jude ist – er stürzt in eine Identitätskrise. Bevor er mit seinem gebrechlichen leiblichen Vater Kontakt aufnehmen kann, muss er sich zumindest ansatzweise in die jüdische Kultur einleben und bekommt einen Schnellkurs von seinem jüdischen Nachbarn, dem Taxifahrer Lenny Goldberg. Gleichzeitig muss der mäßig religiöse Mann sich auf den Stiefvater seiner zukünftigen Schwiegertochter vorbereiten, einen radikalen Imam, der ein Leben im Einklang mit dem Koran erwartet.

■  Der Originaltitel des Films lautet „The Infidel“ (Der Ungläubige); Regie führte Josh Appignanesi, dessen im jüdisch-orthodoxen Milieu angesiedeltes Langfilmdebüt „Song of Songs“ von der englischen Presse mit Begeisterung aufgenommen wurde. Das Drehbuch schrieb Autor und Komiker David Baddiel.

■  Der Film startet am Donnerstag in den deutschen Kinos.

In einer Szene, kurz nachdem Sie Ihre jüdische Herkunft herausgefunden haben, sitzen Sie wie ein nacktes Pin-up auf einem glamourösen Davidstern. In Deutschland wäre so eine Art von Humor undenkbar. Warum dürfen Briten so etwas?

Natürlich sind solche Szenen auch hier delikat, auch wenn wir eine andere Vergangenheit haben als die Deutschen. Doch davon abgesehen sind wir natürlich so großmäulig, weil wir auf eine extrem lange Geschichte des Humors zurückblicken können. Das macht selbstbewusst. Wir sind bekannt für die bösen, schmerzhaften Witze. Und wenn man einmal diesen lang antrainierten Ruf hat, geht man viel größere Risiken ein.

Dennoch hatten Sie bei der Finanzierung zunächst Probleme?

Auf jeden Fall. Das Geld kam aus privaten Mitteln, weil die BBC nicht mehr wollte! Ich habe selbst mit dem Leiter von BBC-Films geredet, den ich vor zwölf Jahren noch als kleinen Laufburschen kannte! Er sagte, ihm gefalle das Skript nicht, es sei nicht lustig. Ob das der wahre Grund ist oder ihm die Thematik zu riskant war, weiß ich nicht.

Sie kriegen regelmäßig Angebote aus Hollywood. Wie stereotyp werden Sie da kategorisiert?

Hollywoods Vorstellungen irritieren mich. Neulich rief mein Agent an: NBC will eine Show mit dir machen und hier kommt die Idee – komischer Muslim wird mit Weißem zusammengetan und die beiden erleben superlustige Dinge. Meine Reaktion war: Soll das ein Witz sein? Wo ist das Konzept? Das bemerke ich momentan häufig. Hollywood will muslimische Typen, doch sie haben keinen Plan, was sie eigentlich mit ihnen anfangen sollen, was für eine Geschichte sie erzählen wollen.

In „Sex and the City 2“ waren Sie immerhin der arabische Hoteldirektor.

Eine Minirolle! Dennoch war das Drehbuch die ganze Zeit so supergeheim, dass ich bis zu meiner Ankunft am Set nur wusste, dass ich einen Dubai-Hoteldirektor spielen würde. Ich kam an, bekam meine Zeilen und das war’s. Aber das war absolut in Ordnung, denn ich liebe „Sex and the City“!