: Die Rüstungsschmiede
Kriegsgerät wird immer gebraucht, auch für Friedensmissionen. Der Düsseldorfer Mischkonzern Rheinmetall fährt damit satte Gewinne ein. Der Hauslieferant der Bundeswehr liefert militärische Hochtechnologie aller Art. Zur Sicherung des Friedens? Die taz setzt ihre Debattentournee durch NRW fort mit dem Thema „Der nächste Krieg kommt bestimmt“
AUS DÜSSELDORF ANDREAS WYPUTTA
Die Meldung der Deutschen Presseagentur war klar und präzise: „Dank der Autosparte“ habe der Düsseldorfer „Rüstungskonzern und Autozulieferer Rheinmetall“ im ersten Quartal 2007 „Gewinn und Umsatz gesteigert“, so die Nachrichtenagentur am 7. Mai morgens um 7 Uhr 55.
Die Korrektur lief, in einer weiteren Meldung versteckt, um 11 Uhr 49 über die Ticker: „Der kräftige Gewinnanstieg wurde vor allem von der Rüstungssparte getragen“, meldete dpa nun. „Der operative Gewinn dieser Sparte kletterte um 267 Prozent auf elf Millionen Euro.“ Die Autozulieferer-Sparte habe ihren Gewinn dagegen nur um sechs Prozent auf 34 Millionen Euro steigern können. „Volle Auftragsbücher durch Wehrtechnik“, jubelte um 12 Uhr 08 auch die auf Wirtschaftsthemen spezialisierte Agentur Reuters: „Die Bestellungen verdoppelten sich in dem Bereich auf nahezu 550 Millionen Euro.“
Entsprechend selbstbewusst gibt sich der Vorstandsvorsitzende der Rheinmetall AG, Klaus Eberhardt. „Der Start ins Geschäftsjahr 2007 ist planmäßig gut verlaufen.“ Im konzernintern „Defence“ genannten Rüstungsgeschäft rechne er wie im Automobilbereich mit „solidem Wachstum und steigenden Ergebnissen“.
Für Selbstbewusstsein sorgen nicht nur die aktuellen Zahlen, nicht nur der Vorjahresumsatz von 3,6 Milliarden Euro. Die 1889 als „Rheinische Metallwaaren- und Maschinenfabrik Actiengesellschaft“ gegründete Firma, die der 59-jährige Manager Klaus Eberhardt führt, versteht sich als Traditionsunternehmen. Es beschäftigt weltweit mehr als 18.800 Mitarbeiter. Rheinmetall unterhält Standorte in Deutschland, den USA, China, Brasilien und Indien, ebenso in Japan, Kanada und Mexiko, in Frankreich, Griechenland, Italien, Malaysia, Österreich, Polen und der Schweiz, in Singapur, Spanien, Tschechien und der Türkei wie auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Zur Autosparte gehört der ehemalige Vergaserspezialist Pierburg ebenso wie die Kolbenschmidt GmbH, die auch Großkolben für Schiffsdiesel und Lokomotiven im Programm hat.
Vor allem aber ist Rheinmetall eins: Hauslieferant der Bundeswehr. Tradition verpflichtet: Die Firma beliefert das deutsche Heer seit über 100 Jahren. Im ersten Weltkrieg trugen neun von zehn Soldaten einen Helm, der von Unternehmen der einstigen Rheinmetall-Besitzerfamilie Röchling produziert worden war.
Bei Rheinmetall sind die Röchlings 2004 ausgestiegen. Die rund 180 Köpfe zählende Familie hielt über ihre Röchling Industrie-Verwaltung 73,7 Prozent der Rheinmetall-Stammaktien. Diese Aktien wurden am 29. November 2004 „bei rund 75 institutionellen Anlegern breit platziert“, wie die Familie damals mitteilen ließ. Wer genau diese Anleger sind, dazu nimmt Rheinmetall bis heute keine Stellung.
Für die Röchlings war der Rheinmetall-Ausstieg ein Abschied vom Stahl. Ihr Vorfahr Hermann Röchling galt mit seinem aus der Völklinger Hütte hervorgegangenen Firmenimperium als einer der wichtigsten Rüstungsproduzenten der Hitler-Diktatur, ließ sich nicht nur als „König des Saarlands“ feiern. Im Juni 1942 wurde der Leiter der „Reichsvereinigung Eisen“ mit dem „Adlerschild des Deutschen Reiches“ dekoriert. Nach dem Krieg untergetaucht, wurde er in Frankreich zu zehn Jahren Haft verurteilt – aber schon 1951, vier Jahre vor seinem Tod, unter der Auflage freigelassen, das Saarland nie wieder zu betreten. Seine Nachkommen führen bis heute die Mannheimer Röchling-Gruppe, doch die konzentriert sich mittlerweile auf Kunststoffe.
Rheinmetall hingegen liefert bis heute militärische Hochtechnologie, von der 120mm-Glattrohrkanone für den Kampfpanzer „Leopard 2“ über die Schützenpanzer „Fuchs“ und „Marder“ bis zum leichten Panzer „Wiesel“. In Hitlers Wehrmacht waren die Panzer nach Raubkatzen benannt, hießen „Panther“ und „Tiger“. Mit der Bundeswehr hat auch Rheinmetall etwas abgerüstet – sprachlich zumindest.
Weiter im Programm: Flugabwehrsysteme, Panzer-Turmsysteme, Hochleistungsradare. Für die Marine gibt es etwa das „Scheinzielsystem Bullfighter zum Schutz von Schiffen gegen Anti-Schiffs-Flugkörper“. Und: „intelligente Munition“ mit programmierbaren Zündern; schließlich liefert sich die Rüstungsindustrie einen Wettlauf mit sich selbst. Die immer neuen Panzerungen müssen durchschlagen werden. Stahlgeschosse reichen längst nicht mehr aus. Um einen Kampfpanzer der aktuellen Generation zu zerstören und die Menschen darin zu zerfetzen, müssen sich Granaten tief in die Panzerung bohren und erst dann explodieren.
Doch aller Größe zum Trotz: Das Selbstbewusstsein der Konzernzentrale kennt Grenzen. Nach mehreren Anfragen der taz lehnt Oliver Hoffmann, Sprecher der Rüstungssparte „Defence“, jedes persönliche Treffen ab. Ohne Angabe von Gründen. „Ich fürchte, dass es eine solche Möglichkeit nicht geben wird“, sagt Hoffmann am Telefon. „Ich möchte das ohne Erklärung so stehen lassen.“ In der von Hoffmann zuvor angeforderten schriftlichen Anfrage der taz war die Verantwortung des Konzerns Thema: „Als Ausrüster nicht nur der Bundeswehr sind Ihre Produkte oft zu sehen. Dienen sie, etwa in Afghanistan, tatsächlich der Friedenssicherung? Wie gehen Ihre Mitarbeiter mit dem Zerstörungspotenzial dieser Produkte um?“
Sprecher Hoffmann fürchtet schlechte Presse. Die Rüstungstechnik der Rheinmetall AG diene „der Kriegsvorbereitung“, sei „unmoralisch“, kritisiert nicht nur Ulla Jelpke, über die Landesliste Nordrhein-Westfalen gewählte Bundestagsabgeordnete der Linkspartei. Monika Düker, Sprecherin für Innen- und Migrationspolitik der grünen Landtagsfraktion mit Wahlkreis in Düsseldorf, stört besonders das Rheinmetall-Geschäftsfeld „Public Security“. Denn um dem „wachsenden Problem unkontrollierter Migration“ zu begegnen, bietet die Rüstungsschmiede ein „breites Angebot an optischen und akustischen Sensoren, luftgestützten Überwachungssystemen und Kontrolleinrichtungen für Grenzübergänge“ an. „Rheinmetall macht sich damit zum Vollstreckungsgehilfen der europäischen Abschottungspolitik, sichert die so genannte Festung Europa“, sagt Düker.
Doch statt sich der Kritik zu stellen, zieht sich Sprecher Hoffmann in die Konzernzentrale an der Düsseldorfer Rheinmetall Allee 1 zurück. Das Rheinmetall-Hauptquartier im Stadtteil Derendorf präsentiert sich als Synthese aus Tradition und Moderne. An einen Altbau schließt sich ein grau-schwarzer Kasten an, viel Glas, viel Stahl. Von Rüstungsproduktion ist nichts zu sehen, die hat das Unternehmen längst ausgelagert, etwa in das „Kompetenzzentrum Waffensysteme“ im Dorf Unterlüß am Rand der Lüneburger Heide, wo auf firmeneigenem Gelände während des Zweiten Weltkriegs Zwangsarbeiter ausgebeutet wurden und wo noch heute scharf geschossen wird.
Das Rheinmetall-Gelände in Düsseldorf hingegen ist eine Baustelle. In unmittelbarer Nähe der Konzernzentrale entsteht die „Unternehmerstadt“, die mit der Kombination von Arbeiten und Wohnen wirbt. Die ehemalige „Halle 29“ dient Textilunternehmen wie Gerry Weber oder Bugatti laut Eigenwerbung bereits als „exklusiver Showroom“. Den Großteil des riesigen Geländes belegt aber Daimler: Die ehemalige Welt AG lässt hier die Kleintransporter vom Typ Sprinter vom Band laufen. Der Daimler-Konzern ist auch am europäischen Luft- und Raumfahrtunternehmen EADS beteiligt. Das produziert den „Eurofighter“. Die Bordkanone kommt von Rheinmetall.
An die Entstehungszeit der Rüstungsschmiede erinnern in Düsseldorf Straßennamen wie Metzer oder Straßburger Straße, die den Sieg im französisch-preußischen Krieg 1870/71 verherrlichen sollten. Hin und wieder tauchen die Firmenschilder von Rheinmetall-Tochterunternehmen auf: Rheinmetall-Versicherungsdienst GmbH, Rheinmetall-Immobilien GmbH. An der Ecke eines Verwaltungsgebäudes aus dem Jahr 1916 sind zwei stilisierte Kanonen zu sehen. Heute nutzen Projektmanagement- und PR-Agenturen das Gebäude. Am Sitz seiner Düsseldorfer Zentrale macht sich der Rüstungskonzern unsichtbar.