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Archiv-Artikel

Alle gegen einen

Daily Dope (171): SPD-Sportpolitiker Danckert bringt mit einer berechtigten Forderung die Sportverbände gegen sich auf. „Ungeheuerlich“ und „unwürdig“ sei dessen Vorstoß

BERLIN dpa/taz ■ Mit gespielter Empörung haben die Präsidenten deutscher Sportverbände auf die Äußerungen des Vorsitzenden im Bundestagssportausschuss, Peter Danckert, reagiert. Er hatte in einem Interview die berechtigte Kritik geäußert, die Verbände seien nicht ernsthaft an einer Dopingaufklärung interessiert. „Herr Danckert stellt damit alle Athletinnen und Athleten unter einen ungeheuerlichen Generalverdacht“, polterte daraufhin Christa Thiel los, Sprecherin der Spitzenverbände im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und Präsidentin des Schwimmverbandes.

Als „unwürdig“ für einen Sportausschuss-Vorsitzenden wies Michael Vesper, der Generaldirektor des DOSB, die Äußerungen Danckerts zurück. „Das ist eine unnötige Provokation“, sagte er. „Wenn er als selbst erklärter Dopingexperte eine Generalamnestie fordert, ist das doch ein General-Freibrief, der nach meinem Verständnis mit sauberem Sport nichts zu tun hat.“ SPD-Politiker Danckert hatte in der Chemnitzer Zeitung Freie Presse gesagt, „die Verbände haben kein Interesse daran“, dass die ganze Wahrheit ans Licht komme. Denn dann würde offenkundig, dass auch in anderen Sportarten flächendeckend gedopt werde, so Danckert. Zudem forderte er die Sportverbände auf, deutlich mehr Anstrengungen bei der Aufarbeitung der Dopingfälle zu unternehmen.

„Diese Ohrfeige kann er sich selber abholen. Seit Jahren hat die Politik die Rahmenbedingungen für die Nada unterschätzt“, meinte Gerd Heinze, der Präsident der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG). „Diese Äußerungen sind eine Frechheit. Eine solche globale Verurteilung ist sträflich.“ Heinze verwahrte sich auch deshalb gegen derartige „Rundumschläge“, weil die Sportverbände nur zu geringen Anteilen aus Leistungssportlern bestehen. Entrüstet zeigte sich auch Andreas Trautvetter, Präsident des Bob- und Schlittenverbandes für Deutschland: „Danckerts Vorwürfe werden in keiner Weise der Wirklichkeit gerecht. Von einem Politiker in der Position erwarte ich mehr Sachlichkeit und Zusammenarbeit mit dem Sport.“

Mit Verwunderung reagierte auch Clemens Prokop, der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), auf die Äußerungen Danckerts. „Sollten wir damit gemeint sein, dann muss der DLV solche Vorwürfe entschieden zurückweisen“, sagte der Jurist. Vor einer Woche habe Danckert in Berlin bei einer Podiumsdiskussion ähnliche Kritik an den Spitzensportverbänden geäußert, den DLV aber ausdrücklich davon ausgenommen. „Der DLV ist einer der entschiedensten Vorreiter im Anti-Doping-Kampf“, versicherte Prokop. „Wir haben in den 90er-Jahren in spektakulären Prozessen die wirtschaftliche Existenz des DLV riskiert, um Dopingverstöße zu sanktionieren.“ Auch der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) echauffierte sich über den SPD-Politiker, vergaß aber im Sturm der Erregung nicht, Peter Weibel von seinen Aufgaben als Bundestrainer der U23-Straßenfahrer zu entbinden. Weibel soll in den 80er- und 90er-Jahren deutsche Amateurradsportler mit Dopingmitteln versorgt haben.

Derweil hat die frühere DDR-Sprinterin Ines Geipel die nachträgliche Aberkennung von Doping-Rekorden gefordert. „Es wäre ein Signal und es wäre modern“, sagte sie. Auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung wollen die Spitzensportverbände heute in Hamburg über das Thema beraten.