: Schielen auf die Elite
Das neue Hochschulgesetz in Schleswig-Holstein hat erste Auswirkungen: Die Hochschulräte für den Norden sind benannt. Bildungsministerium hofft auf Zuschlag bei Exzellenzinitiative
aus Kiel ESTHER GEISSLINGER
„Die Hochschulen sind im Aufbruch“, erklärte Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Dietrich Austermann gestern in Kiel. Zwei Monate, nachdem das neue Hochschulgesetz in Kraft getreten ist, haben die Universitäten und Fachhochschulen im Land nun die Mitglieder der Hochschulräte benannt. Die neuen Gremien sind höchst umstritten: Studierende und Rektoren klagen, dass im Zuge der Einführung die Mitbestimmungsrechte beschnitten werden.
Außerdem könnten die neuen Strukturen im Flächenland für mehr Bürokratie und weite Wege sorgen: Immerhin gibt es die drei Universitätsstandorte Kiel mit 21.000 Studierenden, Flensburg mit 3.800 und Lübeck mit 2.600 Nachwuchswissenschaftlern sowie landesweit fünf Fachhochschulen. Ursprünglich hatte Austermann geplant, Kiel, Lübeck und Flensburg zu einer Landesuniversität zusammenzuschweißen. Dieser Plan war gescheitert, dennoch soll es an den Standorten zu einer „Konzentration und Bündelung“ von Fächern kommen.
In den nun benannten Räten sitzen externe Fachkräfte aus Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur, angefangen vom Vorstandsvorsitzenden der Bayer AG über einen emeritierten Professor der TU München und eine Apothekerin bis zum Direktor des Landesfunkhauses. Immerhin: Der Geschlechterproporz wurde penibel eingehalten. Ganz leicht sei es nicht gewesen, die Gremien zu besetzen, hieß es bei der Pressekonferenz, ein halbes Dutzend Kandidaten habe dankend abgewinkt. Ein Spitzenplatz ist auch noch frei: Der achtköpfige Universitätsrat muss noch seinen Vorsitzenden wählen, der von außerhalb der Universitäten kommen muss.
Staatssekretär Jost de Jager lobte die Mitarbeiter der Hochschulen: Nachdem das neue Gesetz früher „in Teilaspekten kritisch begleitet“ worden sei, liefe die Umsetzung nun zügig: „Es ist gelungen, den Wissenschaftsraum Schleswig- Holstein Wirklichkeit werden zu lassen.“ Die Zusammenarbeit klappe sogar so gut, dass der hohe Norden hofft, zur Spitze aufzuschließen: „2008, spätestens 2009“ könnte ein Standort in Schleswig-Holstein den Titel „Eliteuniversität“ erhalten, sagte Austermann – vermutlich Kiel.
In zwei Bereichen sind Unis an der Ostsee führend: Das Projekt „Ozean der Zukunft“ ist bereits ein so genannter Exzellenzcluster, in dem Experten verschiedener Fachrichtungen die Weltmeere untersuchen. Im Fachbereich Medizin arbeiten Kiel und Lübeck eng zusammen, der Schwerpunkt liegt hier auf der Entzündungsforschung. Die Anerkennung als Cluster fehlt bisher, die Chancen stünden aber gut. Der kommissarische Vorsitzende des Medizin-Ausschusses der Universitäten, Professor Ernst Theodor Reitschel, erklärte: „Selbst wenn es keinen Titel gibt, die Arbeit wird geleistet und geht weiter.“ Dennoch bringt die Bezeichnung „Eliteuniversität“ neben der Anerkennung auch Geld in die Uni-Kassen: Während der fünfjährigen Förderperiode fließen 21 Millionen Euro pro Jahr. Im Herbst sollen die entsprechenden Anträge gestellt werden. Notwendig sind neben den Exzellenzclustern auch Graduiertenschulen – auch hier sieht Austermann gute Chancen.
Während sich das Ministerium auf die Schulter klopft, bleibt die Opposition skeptisch: „Die zentralen Probleme sind weiterhin ungelöst“, erklärte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Karl Martin Hentschel. Unter anderem seien die Studienplatzzahlen unzureichend, bei der Umstellung auf Bachelor und Master gebe es Probleme, der Medizinbereich leide unter Geldmangel. Statt klare Schwerpunkte zu setzen, richte Austermann „überflüssige Gremien“ ein. Auch die FDP ist weiterhin unzufrieden mit dem „schlechtesten Hochschulgesetz, das Schleswig-Holstein je hatte“, wie ihr Bildungsexperte Ekkehard Klug sagte. Allein die Idee eines gemeinsamen Rates für drei weit voneinander entfernte Universitäten sei „eine politische Missgeburt“. Der Kieler Asta kritisiert, das Gesetz lasse „angeblichen externen Sachverstand wichtige Entscheidungen treffen und entmündigt dadurch die Hochschulen“. Die Umsetzung werde weiterhin kritisch begleitet.