: „Fahrrad und Nahverkehr ergänzen sich gut“
Berlins oberster Verkehrsplaner Friedemann Kunst sieht den kombinierten Verkehr auf dem richtigen Weg
Dr. FRIEDEMANN KUNST, 58, leitet das Referat „Grundsatzangelegenheiten der Verkehrspolitik“ in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.
taz: Herr Kunst, die Radverkehrsstrategie strebt die bessere Verknüpfung von Radverkehr und ÖPNV an. Die „kombinierten Wege“ sollen genauso stark steigen wie der Radverkehr, heißt es. Ist das der Fall?
Friedemann Kunst: Der Versuch, das zu erfassen, stößt leider an Grenzen, weil die Verkehrsunternehmen keine präzisen Zahlen haben. Über die verkauften Tickets kann man Näherungswerte erzielen. Tatsache ist, dass die generelle Radnutzung sich ausweitet, und es gibt durchaus Hinweise, dass sich auch der kombinierte Verkehr positiv entwickelt. Gerade die S-Bahn spricht ja Radfahrer gezielt durch Werbung an. Bei der BVG vermute ich eine weniger dynamische Entwicklung, aber auch sie hat inzwischen begonnen, eine bessere Verknüpfung des Verkehrs herzustellen.
Wie kompatibel sind Fahrrad und Schiene überhaupt? Bei der S-Bahn und im Regionalverkehr gibt es offenbar schon Probleme bei der Mitnahme.
Beliebig ausweiten lässt sich das sicher nicht. Was passiert, wenn die vorhandenen Kapazitäten ausgenutzt sind, müssen die Unternehmen überlegen. Bislang betrifft das nur Spitzenzeiten.
Nehmen die Verkehrsunternehmen den Radverkehr tendenziell als Konkurrenz wahr?
Ich denke, die S-Bahn hat keine Berührungsängste. Die braucht sie auch nicht zu haben, denn das Rad ersetzt die S-Bahn nicht. Bei der BVG, die kürzere Strecken bedient, gibt es natürlich eine gewisse Konkurrenz. Und bei der sozialen Situation in Berlin überrascht es nicht, dass Verbesserungen für das Rad zu Lasten des ÖPNV gehen und nicht zu Lasten der Pkws. Wer aus Kostengründen aufs Rad umsteigt, kommt vom ÖPNV und nicht vom Pkw.
Wie ist die planerische Perspektive in Ihrer Verwaltung? Werden da Radfahrer gegen ÖPNV-Nutzer aufgerechnet?
Zum einen muss man nüchtern sehen, dass es gewisse Umverteilungen gibt. Aber wenn Sie fragen, ob sich das in der Politik niederschlägt: überhaupt nicht. Wenn wir das Fahrrad fördern, geht das mitnichten zu Lasten der Förderung des ÖPNV. Beide ergänzen sich ja sehr gut: Der Nahverkehr erschließt Korridore, das Rad die Fläche.
Berlin, heißt es, ist „Fahrradstadt“. Sind wir Spitzenreiter im Bundesvergleich?
Das ist ja auch ein Marketingbegriff. Auf der Radverkehrsstrategie steht „Auf dem Weg zur Fahrradstadt“, das trifft es eher. Andere Großstädte haben einen größeren Radverkehrsanteil. Unsere Stärke liegt darin, dass wir den Radverkehr strategisch planen. Daran beteiligen sich außer der Verwaltung auch die Verkehrsunternehmen, die Bezirke, die Fahrradwirtschaft und andere. Der „FahrRat“, der runde Tisch, der die Strategie mit erarbeitet hat, überwacht auch die Umsetzung und entwickelt Ideen. Das ist in der Kontinuität eine gute und nicht allzu häufige Sache.INTERVIEW: CLAUDIUS PRÖSSER