DER ZÄHE STREIK BEI DER TELEKOM NUTZT EHER DEM VORSTAND
: Den Aktionär im Blickfeld

Seit rund drei Wochen streiken bis zu 16.000 Beschäftigte der Telekom, ein Ende des Aufstandes ist nicht in Sicht. Der Telekom-Vorstand lässt die Streikenden, die sich letztlich gegen die Folgen von Liberalisierung und Globalisierung wehren, am ausgestreckten Arm verhungern. Daran ist die Bundesregierung, die sich in Heiligendamm als mäßigende Kraft inszeniert, nicht ganz schuldlos.

Denn der Bund ist Telekom-Großaktionär und könnte seinen Einfluss als Eigentümer geltend machen, auf die Belegschaft zuzugehen. Das Interesse daran ist wenig ausgeprägt, will doch der Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) mit dem Verkauf weiterer Telekom-Anteile Kasse machen. Sein Kalkül: Umso schlanker das Unternehmen, umso höher der Aktienkurs und umso größer die Verkaufserlöse. Auch die Telekom selbst hat das Wohl ihrer Aktionäre im Blick: Während der Konzern Löhne kürzen will, schüttet er saftige Dividenden aus.

In einer solchen Großwetterlage einen Streik zu beginnen, war schon mutig – zumal die Telekom scharenweise Kunden verliert. Der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di blieb dennoch keine andere Wahl, da sie die Vorstandsforderungen nicht einfach akzeptieren konnte. Nun kämpft sie nicht nur gegen einen sturen Vorstand und einen reglosen Eigentümer, sondern auch gegen widrige rechtliche Rahmenbedingungen. So darf der Konzern massenhaft Leiharbeiter als Streikbrecher einsetzen. Diese haben zwar das individuelle Recht, Streikbrecherarbeiten zu verweigern – aber kaum jemand traut sich das, selbst wenn er oder sie wollte.

Zwar betonen Gewerkschafter, Streikbrecher stifteten in einem Unternehmen mehr Unruhe als Nutzen, dennoch unterminiert ihr Einsatz die Kampfkraft von Arbeitnehmerorganisationen. Deshalb müsste der Einsatz von Streikbrechern grundsätzlich für rechtswidrig erklärt werden. Davon ist die Bundesregierung leider meilenweit entfernt. Die Streikenden bei der Telekom können daher nur hoffen, dass ihr Ausstand trotz aller Widrigkeiten Wirkung zeigt und der Vorstand sich zu einem Kompromiss durchringt, bei dem beide Seiten ihr Gesicht waren. Weniger Geld wird’s dennoch geben. RICHARD ROTHER