: Haftbefehl gegen Gaddafi
INTERNATIONALER STRAFGERICHTSHOF Neben dem libyschen Staatschef sind auch sein Sohn und sein Schwager betroffen. Richter: Verdacht auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit
SPRECHER DES ÜBERGANGSRATS
BENGASI/DEN HAAG dpa/epd | Die libyschen Aufständischen begrüßen, dass der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl gegen Machthaber Muammar al-Gaddafi erlassen hat. „Jetzt gibt es für ihn keinen Fluchtort mehr“, sagte der Sprecher des Nationalen Übergangsrates in Bengasi, Mustafa al-Gherijani, am Montag. Er fügte hinzu: „Wir wollen Gaddafi am liebsten selbst gefangen nehmen, und zwar in Libyen. Und wir wollen ihn auch in Libyen vor Gericht stellen, damit jeder Libyer das Gefühl hat, dass auch ihm persönlich Gerechtigkeit widerfahren ist, und damit diese Akte geschlossen werden kann.“
Neben Gaddafi wurden auch internationale Haftbefehle gegen seinen Sohn Saif al-Islam sowie den Chef des militärischen Nachrichtendienstes, Abdullah al-Senussi, Gaddafis Schwager, ausgestellt. Der Verdacht auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit habe sich erhärtet, erklärte das Gericht am Montag. Damit gab das Gericht einem entsprechenden Antrag des Chefanklägers Luis Moreno Ocampo vom Mai statt.
Die vorgelegten Beweise reichten für den dringenden Verdacht aus, Gaddafi, sein Sohn und al-Senussi seien strafrechtlich für „systematische und weit verbreitete Angriffe“ gegen Demonstranten, Regimegegner und andere Bürger verantwortlich, erklärte die aus Botswana stammende Vorsitzende Richterin Snji Mmasenono Monageng. Gaddafi sei als Staatschef indirekt verantwortlich für Verbrechen gegen die Bevölkerung. Sein Sohn Saif agiere „faktisch als Ministerpräsident“. Nachrichtenchef Senussi habe die Kontrolle über die Sicherheitskräfte.
Die mutmaßlichen Verbrechen hätten vor allem in Tripolis, Bengasi und Misrata seit dem 15. Februar stattgefunden, erklärte das Gericht. Der UN-Sicherheitsrat hatte den Strafgerichtshof mit der Untersuchung der mutmaßlichen Verbrechen in Libyen beauftragt.
Mit den Haftbefehlen will das Gericht sicherstellen, dass die drei Verdächtigen „ihre Macht nicht länger für weitere Verbrechen nutzen“ sowie die andauernden Ermittlungen behindern. Nach den Statuten des Gerichtes sind zunächst die libyschen Behörden für die Verhaftung der drei verantwortlich. Sollten sie das Land verlassen, sind die Vertragsstaaten für die Ausführung verantwortlich.
Moreno Ocampo liegen nach eigenen Angaben Dokumente und Aussagen vor, die die Schuld der Verdächtigen beweisen. Danach wurden Zivilisten in ihren Häusern angegriffen, Demonstranten und die Teilnehmer von Beerdigungen beschossen. Zudem seien Regimegegner festgenommen und gefoltert worden. Die Anklage untersucht derzeit auch Berichte über Massenvergewaltigungen sowie Kriegsverbrechen der anderen Konfliktparteien in Libyen.
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