: Der gläserne Beamte
Das Land weiß mehr über seine 440.000 Beschäftigten, als der Datenschutz zulässt: Über Abrechnungen sind Arztbesuche und Rezepte einsichtig. Gewerkschaft kämpft um neue Software
Beamte des Landes rechnen ihre Arztbesuche und Rezepte nicht nur über die private Krankenkasse ab: Das Land zahlt zudem die so genannte Beihilfe, über die 50 Prozent der Kosten gedeckt werden. Die jeweilige Bezirksregierung kann jetzt mit einer neuen Software alle Anträge an die Beihilfe einsehen. TAZ
von ELMAR KOK
Die Krankenakte von Beschäftigten im öffentlichen Dienst ist auch für Unbefugte einsichtig. Den fehlenden Datenschutz kritisieren der DGB und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) an der Software zur Verwaltung der 440.000 Beamten. Matthias Seifert, Schulleiter in Duisburg Marxloh und Personalrat der GEW, sorgt sich um seine Privatsphäre. „Wer in der Bezirksregierung Beihilfeakten lesen kann, kommt auch an die Krankenakten der Beschäftigten“, sagt Seifert. Beschränkungen der Zugriffsmöglichkeiten gebe es zurzeit nicht, wer die Software am Rechner nutzen könne, komme auch an alle jemals eingegebenen Daten. „Mir hat mal ein Dienstvorgesetzter gesagt, es sei lange her, dass ich die letzten Anträge auf Beihilfe gemacht habe. Das zeigt schon, was die Software kann“, sagt Seifert. Bislang werden die Software-Produkte mit den Namen PersIM, PersNRW und EMiL nur bei der Bezirksregierung Köln erprobt, sollen dann aber in allen Landesteilen angewandt werden.
Natürlich seien die Daten sicher, habe man ihm versichert, so Seifert. „Allerdings: Wenn sie auf dem Markt nach einem frischen Fisch fragen, wird man ihnen sagen: Eben hat der noch geblinzelt.“ Er wisse von zwei Fällen, bei denen eigentlich geheime Daten verkauft worden seien.
Die Personalvertreter des Landes haben vor Gericht ihr Mitbestimmungsrecht bei der Verwendung der Software eingeklagt. Jetzt müssen die Programmierer neue Sperrmöglichkeiten und eingeschränkte Suchfunktionen für die nächste Version finden. Allerdings ist fraglich, ob diese Version kommt. Denn das neue Landespersonalvertretungsgesetz soll im Sommer von der Landesregierung beschlossen werden und sieht keine Mitbestimmung mehr vor.
„Wenn wir über den Einsatz der Software nicht mehr mitbestimmen dürfen, müssen wir sie über unser Recht auf informationelle Selbstbestimmung zum Kippen bringen“, sagt Gregor Falkenhain, Sekretär der Gewerkschaft Verdi in NRW. Was die neue Version der Software können wird, weiß nicht einmal die Landesdatenschutzbeauftragte Bettina Sokol. „Die werkeln da munter drauf los, ohne dass wir irgendetwas wissen“, sagt Sokols Sprecherin Bettina Gayk. Die Datenschutzbeauftragte habe zwar Empfehlungen geben dürfen, aber diese seien nicht umgesetzt worden, so Gayk. Sicher ist sich die Datenschutzbeauftragte aber darin, dass die momentan genutzte Software den Personalverwaltern bei den Bezirksregierungen Zugriff auf alle Daten ermögliche. „Das darf nicht erlaubt werden und ist gänzlich unzulässig.“