„Ich glaube ihnen nicht“

Dopingkontrolleur Helmut Pabst ist sehr enttäuscht von der Qualität der Dopinggeständnisse. „Es gibt anscheinend auch unter Dopern noch gewisse Höflichkeitsformen“, sagt der Sportmediziner

HELMUT PABST, 65, ehemaliger Basketball-Bundesligaspieler, ist Sportmediziner und Leiter der Physical Work Control (PWC) GmbH, die im Auftrag der Antidopingagentur Dopingkontrollen im Training und Wettkampf veranlasst.

INTERVIEW JUTTA HEESS

taz: Herr Pabst, wie erstaunt sind Sie über die Dopinggeständnisse der letzen Wochen?

Helmut Pabst: Überraschend ist die Tatsache, dass im Radsport gedopt wird, ja nicht. Erstaunt war ich aber, dass so viele auf einmal kommen. Wobei das alles Geschichten sind, die verjährt sind, dafür wird man nicht mehr bestraft. Da kann man natürlich locker reden. Doch die Sache ist ganz heilsam. Ich war allerdings enttäuscht über die Qualität der Geständnisse.

Was meinen Sie damit?

Ich hätte gerne etwas mehr gewusst über das Dopingsystem. Und zwar über die Hintergründe. Jetzt beschränkt man sich darauf zu sagen, ja, das waren die Freiburger Ärzte, das waren diese oder jene, oder es war nur ich und die anderen haben es nicht getan. Das kann man sich so gar nicht vorstellen. Es ist sicherlich richtig, was Rolf Aldag erzählt hat, dass er sich mit Erik Zabel immer die Kabine teilt und sich um die anderen nicht kümmert. Aber es gibt Untersuchungen, wonach Sportler ihre Informationen zu 50 Prozent von den anderen Sportlern beziehen, danach kommen erst die Trainer und Mediziner dran.

Wenn also Bjarne Riis sagt, er wisse nicht, was Jan Ullrich gemacht hat, dann ist das falsch?

Es gibt anscheinend auch unter Dopern noch gewisse Höflichkeitsformen. Diese Aussage von Riis gehört sicher dazu. Ich glaube ihm in diesem Fall nicht.

Im Grunde bringen die Geständnisse also niemanden so richtig weiter?

Doch. Bei allem Schlechten kommt ja auch etwas Gutes heraus. Nämlich, dass die Geständnisse vielen Leuten die Augen geöffnet haben. Dass klar geworden ist, dass Doping viel weiter verbreitet ist, als die meisten meinen. Und dass es doch nicht so ganz ungefährlich ist, zu dopen. Erik Zabel sagte ja, er habe das Epo-Doping nicht vertragen, er habe Fieber bekommen und ihm sei schlecht geworden. Diese Reaktionen sind bekannt. Doch daraufhin hat er sehr schön gesagt: „Ich habe mich auf meine Fähigkeiten, den Sprint, zurückgezogen.“ Nur: Seine Fähigkeiten könnte man sehr gut mit Wachstumshormon stimulieren.

Der Test auf Wachstumshormon ist aufwändig.

Ende des Jahres werden alle eingefrorenen Blutproben von Sportlern aufgetaut. Dann haben wir endlich die Möglichkeit, diese auf Wachstumshormon zu kontrollieren.

Welche Blutproben?

Mitte letzten Jahres haben wir angefangen, bei Dopingkontrollen immer wieder Blut abzunehmen, um die Wachstumshormonbestimmung zu machen. Aber diesen Test können nur bestimmte Labors durchführen.

Haben die Geständnisse direkte Konsequenzen für Sie und Ihre Arbeit? Verschärfen Sie jetzt Trainings- und Wettkampfkontrollen?

Für unsere Kontrollen ändert sich nichts, das Verfahren bleibt das gleiche. Was auf uns zukommen wird, ist, dass wir viel häufiger Blutkontrollen machen werden, um auf Wachstumshormon zu testen. Die Epo-Kontrollen müssen wir nicht verstärken, die werden seit einem Jahr vor allem bei Ausdauersportlern quer durch alle Sportarten grundsätzlich durchgeführt.

Also tut sich für Sie gar nicht so viel?

Wir haben mehr Arbeit. Vor allem die kurzfristigen Einsätze werden ein Problem, da ich ja für Blutkontrollen jetzt auch Ärzte losschicken muss. Blut abnehmen, das kann nicht der Dopingkontrolleur machen. Die Amerikaner sind schon so weit, dass sie so genannte Paramedics [keine Ärzte, sondern eine Art Sanitäter; Anm. der Red.] zum Blutabnehmen einsetzen können.

Trotz strenger Kontrollen wird weiter gedopt. Kann man das Problem in den Griff bekommen?

Wenn man das Problem Doping in den Griff bekommen will, dann muss man eine Meinungsänderung bei der Bevölkerung, den Fans herbeiführen. Und dazu zählen auch Funktionäre und Politiker. Was mich sehr stört, ist die Begeisterung, mit der Zabel bei der Bayern-Rundfahrt bejubelt wurde, und die unkritische Meinungsäußerung von Zuschauern, die sagen: „Ach so schlimm ist das doch gar nicht, gebt das Doping frei.“ Das sind alles Menschen, die sich mit dem Thema nie richtig beschäftigt haben. Das ist erschreckend, daran krankt ja das Ganze.