: Mama soll’s richten
VON HEIDE OESTREICH
Die demografische Delle, die ab 2010 auch das Wachstum in der EU bremsen soll, könnte durch mehr Familienpolitik gemildert werden. So lautet das Ergebnis einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) gestern vorgestellt hat. Das Institut prognostiziert die demografische und wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, der EU und in den USA bis zum Jahr 2050. Es geht davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt schrumpfen wird, weil sich vorübergehend das Verhältnis von Erwerbstätigen und denen, die nicht mehr erwerbstätig sind, ungünstig verändert. Und da die berufstätige Bevölkerung in den USA mit ihrer Traumgeburtenquote von 2,1 Kindern pro Frau sehr viel langsamer abnehmen wird als in der EU mit ihrer Rate von 1,5 Kindern pro Frau, prognostiziert das IW eine Wachstumslücke zwischen den beiden Wirtschaftsräumen. Während dem BIP in den USA bis 2050 weiter Wachstumsraten zwischen 2,3 und 2,5 Prozent vorausgesagt werden, könnten sie in Deutschland zwischenzeitlich auf magere 0,7 Prozent sinken, heißt es in der Studie. Würde man die Geburtenquote auf 1,7 Kinder je Frau erhöhen können, bremste sich die Talfahrt ab. Das BIP könnte in dieser Zeit bei etwa 1 Prozent Wachstum bleiben.
Um den Wachstumskurs zu halten, rechnet das IW aber noch mit weiteren Faktoren: So geht das Institut davon aus, dass Frauen in Zukunft länger erwerbstätig sind. Durch das Elterngeld sollen Mütter eine kürzere Babypause einlegen und dann auch weiter ihrer Qualifikation gemäß arbeiten, anstatt in billige Teilzeitjobs abzuwandern. Das DIW hat bereits errechnet, dass dem Staat im Moment durch zuhause bleibende Mütter 6 Milliarden Euro Einkommensteuern und den Sozialsystemen 9 Milliarden Euro Beiträge flöten gehen. Eine bessere Kinderbetreuung und -bildung soll zudem die qualifizierten Arbeitskräfte der Zukunft heranziehen. „Wir müssen so viel besser sein, wie wir weniger sind“, so fasste von der Leyen die demografische Herausforderung zusammen.
Dieses Daten sind der EU-Kommission schon seit längerem bekannt, wie Industriekommissar Günter Verheugen gestern deutlich machte. Schon 2002 habe man sich im Rat auf die Ziele geeinigt, für ein Drittel aller Kleinkinder Betreuungsplätze zu schaffen. Zudem sei es EU-Strategie, dass die Erwerbsquote der Frauen gesteigert werden solle. „Es ist absolut unvertretbarer Luxus, dass wir gut ausgebildete junge Frauen mit dem Problem, Erwerbsarbeit und Familie zu vereinbaren, allein lassen“, so Verheugen.
Den familienpolitischen Aufbruch von der Leyens begrüße die EU nicht nur: „Wir haben seit langem darauf gewartet“, so Verheugen. Dass die EU Familienpolitik schon länger als Wirtschaftspolitik sieht, zeigt sich auch daran, dass in Zukunft Mittel aus dem Strukturfonds in die Familienpolitik fließen werden. So will von der Leyen etwa ein Qualifizierungsprojekt für Tagesmütter mit diesen Mitteln finanzieren.
Völlig quer zu diesen Vorhaben liegt allerdings der Plan der Union, Müttern das Zuhausebleiben mit einem Betreuungsbonus zu versüßen. Diesen Widerspruch vermochte auch die Familienministerin gestern nicht aufzulösen. Für die Debatte über das Betreuungsgeld habe man noch viel Zeit, so ihre Absage an die Forderung aus der CSU, das Betreuungsgeld bald in einem Gesetz zu verankern.