Polizei hörte doch Handys ab

DATENAFFÄRE Dresdens Innenminister Markus Ulbig (CDU) behauptet jedoch in aktueller Landtagsdebatte das Gegenteil. Die Linke fordert seinen Rücktritt

„Ulbig ist nicht mehr im Amt zu halten“

ANDRÉ HAHN, FRAKTIONSCHEF DER LINKEN

VON MICHAEL BARTSCH
(DRESDEN) UND PAUL WRUSCH (BERLIN)

Bei den Antinaziprotesten am 19. Februar in Dresden wurden auch Inhalte von Telefongesprächen erfasst, gespeichert und ausgewertet. Das geht aus dem Beschluss zu einer Hausdurchsuchung hervor, der der taz vorliegt. Die Ermittlung richtet sich gegen einen Verdächtigen aus dem linken Spektrum, dem die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen wird. Im Rahmen dieser Ermittlung hatte die Polizei Dresden auch durch eine Funkzellenauswertung Hunderttausende Handyverbindungsdaten erfasst.

Dass Gesprächsinhalte gespeichert wurden, widerspricht der Darstellung von Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU). Bei der Landtagsdebatte zur Ausspähung von Handyverbindungen am Mittwoch sagte er, bei den Demonstrationen seien von der Dresdner Polizei keine Gesprächsinhalte mitgehört worden.

„Ulbig hat demnach auch den Ministerpräsidenten falsch informiert und ist damit nicht mehr im Amt zu halten“, sagte André Hahn, Fraktionschef der Linkspartei in Sachsen, der taz. In einem Bericht an Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) war vom Abhören von Handys bei der Demo keine Rede.

Die Aktuelle Debatte im Landtag war zudem stark von der Auseinandersetzung geprägt, ob der richterliche Beschluss zur Funkzellenabfrage rechtmäßig war. Johannes Lichdi, rechtspolitischer Sprecher der Grünen, verneinte dies kategorisch. Vertreter der schwarz-gelben Regierung verteidigten das Vorgehen. Erneut hob die CDU dabei auf die 112 verletzten Polizisten ab. Ihr innenpolitischer Sprecher Volker Bandmann sagte, die Linke wolle mit ihrer Kritik an der Datensammlung „von der Gewaltorgie in Dresden ablenken“.

Eine bemerkenswerte Rede hielt der FDP-Rechtspolitiker Carsten Biesok. „Dresden ist das erste richtige Beispiel, was mit der Vorratsdatenspeicherung passieren kann“, kritisierte er diese Überwachungsmethode. Dresden habe das Gegenteil des Verhältnismäßigkeitsprinzips erlebt. „Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten – wer so denkt, macht sich zum Untertan“, fügte Biesok hinzu. Beim Koalitionspartner CDU rührte sich dafür keine Hand zum Beifall. Es sei Sache der Gerichte zu entscheiden, ob für die Funkauswertung die Voraussetzungen nach Paragraf 100 g der Strafprozessordnung gegeben waren, ergänzte Justizminister Jürgen Martens (FDP). Auch sechs betroffene taz-Journalisten haben zur Klärung der Frage vor Gericht Beschwerde eingelegt.

Wegen der vielen offenen Fragen erwägt die Linke, eine Landtags-Sondersitzung in der kommenden Woche zu beantragen. Ob Grüne oder SPD die dazu fehlenden vier Unterstützungsstimmen beitragen werden, wurde am Mittwoch noch beraten.