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Archiv-Artikel

Nasse Besucher klatschen gern

THEATER Die Shakespeare Company scheut keinerlei Unbill, um im Bürgerpark zu beweisen: Freilufttheater kann differenziert sein und von jedwedem Wetter profitieren

Von HENNING BLEYL

Ahnt man, dass vier Kühe drei Stunden klang nahezu unbeweglich an einem Fleck stehen können? Dass Vögel nach Regenschauern besonders laut zwitschern? Dass Nordic WalkerInnen tatsächlich mit nahezu militanter Perfektion im Gleichschritt durch den Park töckeln, wie der Touché-Comic es immer nahe legt?

Wer all das schon ahnte und anderes wusste, kann sich auf Shakespeare konzentrieren: „Der Sturm“, dargeboten im Bürgerpark, ist zwar kein genuin komödiantisches, dafür aber zu wohlfeilen Wetterwitzen reichlich Stichworte gebendes Shakespeare-Werk. Insofern also für die Bremer Shakespeare Company (BSC) geeignet, den alljährlichen Freiland-Selbstversuch an der Melchersbrücke zu wagen.

„Sturm“ ist sogar das erste Stück, das die BSC eigens für den Bürgerpark inszeniert. Seit 16 Jahren trotzt die Shakespeare Company dem an ihren Aufführungen traditionell schlechten Wetter – allein das hätte schon für die Kachelmann-Medaille qualifiziert, falls man die noch vergeben könnte.

Doch auch die aktuelle Inszenierung, ganz für sich betrachtet, verdient Lob. Das Genre Freilicht-Theater ist zwischen Lilienthal und Bad Segeberg nicht eben ästhetisch verwöhnt, und so freut sich der Bürgerpark über bemerkenswert differenzierte Choreografien etwa des mehrfach besetzten Luftgeistes Ariel. Als Motor der Handlung – stets im Auftrag seines Herrn, des die Insel beherrschenden Zauberers und Ex-Herzogs Prospero – dirigieren die multiplen Ariels die gestrandeten Bösewichter über das Eiland. Und das in einer Art, die jede dieser Aktionen zum Augenschmaus werden lässt (Svea Auerbach, Petra-Janina Schultz). Für Ohrenschmaus sorgt Hannah Beagley: Ihre Sirenenhaften Laute, die per Tonspur-Wiedergabe zu zarter Mehrstimmigkeit anschwellen, geben dieser Inszenierung das notwendige Maß an Nature-Credibility.

Apropos Natur: Es ist nicht so, dass jede Shakespeare-Sentenz die regelmäßigen Schauer mühelos übertönt – aber wenn Edelmann Gonzales ruft: „Das Wetter ist ein Fluch für alle!“, kann man sich allemal vergnügt auf die nassen Schenkel klatschen.

Dass sich die BSC dem Volkstheater verpflichtet fühlt, ist auch bei einem Stück wie dem „Sturm“ nicht zu übersehen, das sich auch als probate Folie für einen ambitionierten Kolonialismus-Diskurs und derlei Linkslastiges anböte. In gewisser Weise leistet Lee Beagleys Inszenierung das sogar: Wenn das Monster Caliban, eine Paraderolle für Michael Meyer, unter wechselnder Fremdherrschaft auf der eigentlich ihm gehörenden Insel leidet, kann man in seinen unflätigen Schimpftiraden deutlich die Sehnsucht nach Selbstbestimmung hören, sogar eine Kritik am Akkulturations-Prozess: „Ihr lehrtet mich das Sprechen, nun erntet ihr den Fluch“ – oder so ähnlich. An dieser Stelle war der Regen mal wieder etwas stärker.

Auch Erik Roßbander als Prospero gehört zu den Idealbesetzungen dieser Inszenierung. In seinen Zügen mischt sich die traurige Abgeklärtheit des verbannten Herzogs mit der Weisheit des Magiers und der Unschuld eines Entzivilisierten – der mit kindlichem Staunen dem Wirken seiner Zauberworte zuschaut. Dem zerschellenden Schiff, das ihm die Widersacher vor die Füße spült, dem arrogant-intriganten Treiben der wunderbar Dandyhaft agierenden Schnöseltruppe um Peter Lüchinger als bösem Usurpator-Onkel Antonio – oder dem wüsten Gezeche der stets gefoppten Matrosengang. Immer scheint er sich selbst zu wundern, was seine Luftgeister alles in die Wege leiten.

Für Janina Zamani und Gunnar Haberland ist der „Sturm“ die Abschieds-Inszenierung nach langer fester Zugehörigkeit zur BSC, für die Company selbst ist „Sturm“ immerhin der Abschluss einer Trilogie, mit der die BSC im Dreischritt durch die Stadt ging: Angefangen mit „Caliban“ im Concordia, das die Shakespeare Company dankenswerterweise gemeinsam mit dem Theaterlabor versucht, als Theaterort am Leben zu erhalten, über „Pleasure Island“ in der umgedrehten Kommode bis hin zum Bürgerpark-„Sturm“. Die einzige Frage, die dort offen bleibt, heißt: Warum hat die Kuh nie gemuht?

Weitere Aufführungen bis zum 16. Juli. Einzeltermine und Kartenbuchungen unter www.shakespeare-company.com. Alle weiteren relevaten Informationen: www.wetter.de