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Archiv-Artikel

„Ich bin froh, wenn ich erwähnt werde“

KONVERTIT Seit einem Jahr moderiert Diplomtheologe Peter Hahne einen flauschigen Sonntagstalk. Eine Begegnung

VON DAVID DENK

Peter Hahne kommt 20 Minuten zu spät ins Café des ZDF-Hauptstadtstudios und ist sofort auf Sendung. Auch ohne Mikro spricht er so laut, als gelte es, eine große Halle zu füllen. Oder eine Kirche. Es ist ein bisschen unangenehm, doch kaum jemand ist da, der sich an Hahnes Anmoderation seines Interviews mit der taz stören könnte; die beiden Kellnerinnen scheinen sich an solche Auftritte gewöhnt zu haben: So sind sie, die Fernsehnasen. Oder zumindest ist Peter Hahne so.

Den Grund seiner Verspätung behält Hahne zunächst für sich, lässt aber keinen Zweifel daran, dass es wichtig war, genau wie der Anruf unaufschiebbar ist, den er noch erwartet. Das alte Nokia-Handy, das er vor sich auf den Tisch legt, bleibt also erst mal an, muss anbleiben! Hahne bittet um Verständnis. Erst gegen Ende des Interviews wird er die Frage beantworten, die ihm niemand gestellt hat: Es gilt, die Jubiläumssendung seines Sonntagstalks „Peter Hahne“ vorzubereiten, die ausnahmsweise mal nicht in Berlin-Mitte, mit Blick aufs Brandenburger Tor, produziert wird, sondern in einer Schweizer Reha-Klinik – bei Samuel Koch, dem im Dezember schwer verunglückten und seitdem gelähmten „Wetten, dass..?“-Kandidaten – „ist vor wenigen Minuten über die Agenturen gelaufen“, sagt Hahne.

Pastorale Sätze

Im Betroffenheitsgewerbe ist das ein schöner Scoop, über den Hahne sich selbstredend nicht offen freut. Stattdessen sagt er: „Wenn Sie mit diesem Jungen telefonieren, wird alles relativ. Alles ist vergänglich, man kann nur dankbar sein für jeden Tag, an dem man gesund ist.“ Es sind solche pastoralen Sätze, für die Hahnes Fans den Diplomtheologen lieben – viele andere eher nicht.

Am vergangenen Sonntagmittag hat mit dem Samuel-Koch-Interview und einer Topquote (2,24 Millionen Zuschauer, Marktanteil 16,5 Prozent) also eine Sendung Einjähriges gefeiert, die man nur als Kollateralschaden bezeichnen kann: Als die CDU-Mehrheit im ZDF-Verwaltungsrat dem damaligen Chefredakteur Nikolaus Brender die Verlängerung seines Vertrags verwehrte und Peter Frey aus dem Hauptstadtstudio auf dessen Posten aufrückte, fiel Freys damaliger Vize Hahne nach rund zehn gemeinsamen Jahren vom Personalkarussell: Da die neue Hauptstadtstudioleiterin Bettina Schausten schon als „schwarz“ gilt, blieb kein Platz für den ebenfalls konservativen Hahne, ein eher „roter“ Stellvertreter wurde in Thomas Walde gefunden. Hahne wechselte zum 1. April unter die Fittiche des ZDF-Programmdirektors und bekam als Trostpflaster vergangenen Sommer eine halbstündige Talkshow, die seinen Namen trägt.

Hahne selbst sieht sich als „Hans im Glück“, wie er dem Tagesspiegel zum Start sagte, und ausdrücklich nicht als Opfer der ZDF-Politik, „dumm“ nennt er diese Lesart. „Wenn überhaupt, war ich das Opfer meines Vertrags, der im Februar letzten Jahres auslief, wie jeder nachlesen kann“, sagt er. „Ich bin immer froh, wenn mein Name erwähnt wird und dann auch noch richtig geschrieben ist, aber mit der Causa Brender habe ich rein gar nichts tun. Und ich selbst muss doch wohl wissen, was war.“ Er habe unabhängig von den politischen Querelen einen Schnitt machen und noch mal was ganz anderes ausprobieren wollen, „sonst hat man als Journalist doch den Beruf verfehlt“.

Das Problem ist nur, dass die Version des freiwilligen Abschieds so gar nicht zu Peter Hahne passen will, der laut seiner Homepage noch immer stellvertretender Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios ist. Immer noch stolz wie Oskar erinnert er daran, wie er dem damaligen Außenminister Joschka Fischer im Sommerinterview in der Toscana als erster Journalist entlockt habe, dass es auch ein Leben nach der Politik gibt. Auf die Frage, ob er sich eine Rückkehr von Fischer als grüner Kanzlerkandidat vorstellen kann, erwidert Hahne: „Da ich ihn durch viele, viele Interviews gut kenne, schließe ich das aus. Das ist für ihn jetzt Kindergarten.“ Und man fragt sich kurz, ob Hahne mitunter in der dritten Person von sich spricht.

Bedürfnis nach Nähe

Sein Interview mit Samuel Koch eröffnete Hahne mit den Worten: „Wir haben so oft miteinander telefoniert in den letzten Monaten“ – und beendete es mit: „Ich freu mich, dass wir miteinander reden konnten, nachdem wir so oft schon miteinander telefoniert haben.“ Der Kontakt zur Bundeskanzlerin mag ein wenig eingeschlafen sein, doch zu anderen Promis hält er die Verbindung – und sei es auch nur zu diesem jungen Mann. Man weiß nicht, wer einem mehr leidtun soll: Samuel Koch, der Peter Hahne nicht los wird, oder Hahne, der sein unjournalistisches Bedürfnis nach Nähe nicht abzuschütteln vermag.

Mit der Joschka Fischer entlockten Aussage zum Leben nach der Politik sieht Hahne zugleich den Nachweis erbracht, „dass mir kein Mensch vorwerfen kann, mit meinen Gesprächspartnern zu kuscheln“. Genau dieser Vorwurf begleitet „Peter Hahne“ aber von der ersten Sendung an, in der die mit dem Moderator befreundete Margot Käßmann zu Gast war, die, kurz nach ihrer Alkoholfahrt, außer distanzlosen Fragen wie „Wem haben Sie das als Erstes gebeichtet?“ nichts zu befürchten hatte. Über den Auftritt von Stephanie zu Guttenberg zur Kinderpornografiedebatte schrieb die FAZ, „dass es keine gute Voraussetzung für ein Fernsehgespräch ist, wenn der Moderator in der Rolle eines Jubelpersers auftritt (…) Hahne hat in der Sendung systematisch fast jede Gelegenheit gemieden, die Zuschauer aufzuklären, klüger zu machen. Er hat sie nur in ihren Gefühlen bestärkt.“

Auf schlechte Kritiken antwortet Hahne mit Franz Josef Strauß („Everybody’s Darling is everybody’s Rindvieh“), Pseudoprofessionalität („Es wäre ja ganz schlimm, wenn die FAZ schreiben würde, es war die großartigste Sendung unter der Sonne“) und Hochmut („Viel Kritik ist purer Neid. Ich sage immer: Neid ist die Mehrwertsteuer des Erfolgs. Viele Kritiker, die sich im Feuilleton verstecken müssen, würden auch lieber eine Kolumne schreiben, die jede Woche elf Millionen lesen“). Manche Kritik sei natürlich auch berechtigt, doch auf die Nachfrage, welche, fällt Hahne nur ein, dass mal jemand gesagt hat, er würde in der Sendung unterm Tisch immer so viel mit den Beinen rumzappeln.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet Peter Hahne „eine allgemeine Einheits- und Kuschelgesellschaft“ beklagt und den Erfolg seiner Bild-am-Sonntag-Kolumnen und Sachbücher damit erklärt, „dass ich darin Klartext rede, zur Diskussion über Themen anrege, die den Leuten unter den Nägeln brennen“. Besonders in der Politik vermisse er „kantige Köpfe, die Gegenwind aushalten“. Hahne selbst sieht sich also nicht als Protagonist dieser Verkuschelung, sondern als Gegengift, räumt dann aber doch ein, „mit meinem Stil als Person ganz gut in diese Zeit“ zu passen. Manchmal verwirrt Peter Hahne sich offenbar selbst.

In Hahnes BamS-Kolumne ist die Welt dagegen seit 15 Jahren ganz einfach, und die Wahrheiten sind es auch. „Wer sich umbringt, bringt sich um den Tag, an dem ihm geholfen werden kann“, schrieb er nach dem Suizid von Gunter Sachs. Dass Sachs an Alzheimer litt, wie er in seinem Abschiedsbrief schrieb, und dagegen nur eine Wunderheilung hilft, erwähnte Hahne nicht. Am Zuspruch der Zuschauer und Leser wärmt er sich, wenn die Kritiker mal wieder besonders neidisch auf ihn sind. „Mir geht es ganz hervorragend, wenn ich mir die Akzeptanz unter den Zuschauern ansehe“, sagt Hahne und erzählt, wie Abiturienten aus Brandenburg ihm am Morgen des Interviews noch auf der Straße zugejubelt hätten.

Noch unangenehmer als Hahnes Eitelkeit ist die Tatsache, dass er sein Publikum hat, nicht zu knapp sogar. Seine bei christlichen Nischenverlagen erschienenen Lebenshilfebücher mit Titeln wie „Nur die Wahrheit zählt“ oder der Kalender „Starke Worte 2011“ verkauften sich insgesamt mehr als sechs Millionen Mal, darunter allein 900.000 Exemplare von „Schluss mit lustig! Das Ende der Spaßgesellschaft“.

Konservative Reizfigur

Hahne repräsentiert das andere, das rechtskonservative Deutschland und ist auch durch Ignorieren nicht wegzukriegen. Seine Medienpräsenz fordert zu einer Meinung heraus. Als Reiz-, wenn nicht gar Hassfigur ist er eine Zumutung für seine politischen Gegner und ein bisschen auch für die eigenen Leute. Hahne weiß, was er provoziert, wenn er Konservative wie sich als „Speerspitze des Fortschritts“ bezeichnet – Neid ist es nicht: „Erstarrung erlebe ich eher bei Linken. Da sehe ich oft nichts als Beton. Die Erde ist eine Scheibe und bleibt es auch – selbst wenn längst bewiesen ist, dass sie eine Kugel ist.“

Hahne gibt sich Mühe, den Eindruck zu erwecken, mit sich und der Welt im Reinen zu sein. „Kinder, ich bin seit 38 Jahren in dem Geschäft“ – diesen demonstrativ abgeklärten Satz bemüht der 58-Jährige in Variationen gleich mehrfach während des Gesprächs. Das Ausrufezeichen dahinter ist seine Körperhaltung. Als Zeichen seiner Tiefenentspanntheit rutscht Hahne mitunter so tief in seinen Stuhl, als säße er in Spanien am Hotelpool. Er will seinen Gegnern nicht den Gefallen tun, sich öffentlich über sie aufzuregen, lässt dann aber doch durchblicken, dass ihn „Ungerechtigkeiten gegen meine Person“ nicht kaltlassen. Gemeint ist Kritik.

„Wir können den, der zur Rechten Gottes sitzt, nicht einfach links liegen lassen“, steht auf Hahnes Homepage. Es klingt wie ein Hilferuf: Beachtet mich!