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Archiv-Artikel

PETER UNFRIED NEUE ÖKOS Einmal inspirieren, bitte!

Als Penelope vom Shoppen zurückkommt, fängt die Macht sie ab: keine Einkaufstaschen?

Samstagnachmittag sind Penelope und ihre Freundin mit der U 1 zum Ku’damm. Shoppen im alten Westberlin. Wusste gar nicht, dass man da heutzutage wieder hingeht. Als Penelope zurückkommt, wird sie von ihrer Mutter an der Tür abgefangen. Die Macht (irritiert): „Wo sind denn deine Einkaufstaschen? Werden die noch angeliefert?“ Penelope (kleinlaut): „Brummelbrummel.“ Die Macht: „Oder hast du nur kleine Sachen gekauft? Zeig mal her.“

Es stellt sich heraus, dass Penelope nichts gekauft hat. Gar nichts. Die Macht kann es nicht fassen. „Drei Stunden am Ku’damm – für nichts?“

Penelope (überlegen): „Doch für was. Es hat mich inspiriert.“

Die Macht (fassungslos): „Inspiriert?“ Wo es denn so was gäbe und was das jetzt wieder solle.

Mag sein, dass die Aufregung auch damit zu tun hat, dass die sensible Mutter-Tochter-Beziehung seit ein paar Tagen grundsätzlich in eine neue Phase übergeht.

Wenn es gegen seine Schwester geht, ist Adorno nie weit. Schon kommt er aus seinem Zimmer gerannt und fragt freudig erregt, was Penelope wieder gemacht hat. „Sie war drei Stunden am Ku’damm – und hat nichts gekauft“, höhnt die Macht. Dann schütteln sie ihre Köpfe um die Wette. Adorno braucht für multiple Einkäufe maximal drei Minuten – und Kritiker sagen, bei der Macht sei es ähnlich. Penelopes konsumistische Enthaltsamkeit verstört und beunruhigt sie. Welcher normale Mensch würde freiwillig den Konsum von Gütern verweigern? Irgendwas muss mit dem Mädchen nicht in Ordnung sein.

Die Sache erinnert mich an den Dauerärger wegen meiner Turnschuhe. Es waren ganz normale Turnschuhe eines Herzogenauracher Herstellers. Nur dass ich sie seit gut 29 Jahren trug. Dank des Großvaters meiner Kinder. Der ist Metzgermeister und in einem Dorf, in dem noch Handwerksleistungen getauscht werden. Heißt: Er schlachtet die Sau vom Willi. Und der, ein gelernter Schuster, hatte dafür vor ungefähr fünfzehn Jahren meine Turnschuhe so was von sorgfältig überholt, dass sie einfach nicht mehr kaputtgingen.

Speziell in den letzten zehn Jährchen ging das der Macht gegen den Strich – und zunehmend auch Adorno, der am liebsten nach jedem Tor von Messi neue Fußballschuhe kaufen würde.

Ständig wurde ich bedrängt. Es reiche. Es sei genug. Dreißig Jahre dieselben Schuhe: Das sei ja absurd. Aber ich ging unbeirrt meinen Weg. Bis ich letzte Woche einen meiner angeschnittenen Flugbälle auf Adorno schlug – und mein linker Turnschuh dabei auseinanderfiel. Als Adorno und die Macht die Fetzen an meinem Fuß sahen, gerieten sie außer sich. Sie schrien „Gimme five“ und „yeah, yeah, yeah“. Sie dachten, nun müsste ich mir neue Turnschuhe kaufen. Aber erstens neige ich nicht zu Schnellschüssen.

Und zweitens bringe ich die paar Jahre auch noch ohne Sport rum.

Der Autor ist taz-Chefreporter

Foto: Anja Weber