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Archiv-Artikel

Wo der Hund begraben ist

„Peripherie“ heißt die Reihe, in der sich die Hamburger Galerie für Landschaftskunst wenig genutzter Orte annimmt. Till Krause ist auf den Tierfriedhof in Norderstedt gestoßen. Dort will er ein eigens gepachtetes Grab mit einer geheimnisvollen Emailplatte bestücken

Warum nur will der Künstler nicht so recht sprechen? Er tue eben seine Arbeit, sagt Till Krause. Und müsse ja nicht über alles reden. Fast klingt er da ein bisschen bockig. Das überrascht – auch deshalb, weil die Arbeit, die Krause derzeit verrichtet und die am Sonnabend zu einer besonderen Vernissage führen soll, keineswegs Routine ist. Im Rahmen der Reihe „Peripherie“, organisiert von der Hamburger Galerie für Landschaftskunst, wird Krause auf dem „Tierfriedhof Nord“ in Norderstedt eine für drei Jahre gepachtete Grabstätte gestalten.

Das tut er – natürlich – in Absprache mit Friedhofspächter Jürgen Becker. Der macht für den Künstler eine Ausnahme: „Normalerweise liefern wir hier die Grabplatten“, sagt Becker, „sodass wir immer wissen, was draufsteht.“ Till Krause bastelt sich seine selbst. Genaueres weiß auch Becker nicht. Von einer Email-Grabplatte mit Text sei die Rede gewesen, die er auf die Grabstelle legen wolle. Und dann habe Krause noch gesagt, dass zur Eröffnung wohl ein paar Leute kämen. Keine Massen. Denn die eigentliche Eröffnungsfeier soll in einem nahe gelegenen Restaurant stattfinden.

Dabei ist dem Pächter die Publicity nur recht. Denn es gibt in Hamburg ja auch noch diesen anderen Tierfriedhof, „und ich finde es immer wieder bedauerlich, wie wenige Menschen von dieser Möglichkeit der Bestattung wissen“, sagt Becker.

600 bis 700 Gräber auf 18.000 Quadratmetern beherbergt das Areal, und über das Erscheinungsbild braucht er sich keine Sorgen zu machen. „Die Gräber hier sind besser gepflegt als die auf manchem Menschenfriedhof“, sagt Becker. Stimmt es also doch, dass der westliche Bürger sein Haustier mehr liebt als seine Nachbarn und Verwandten? „Tiere sind ehrlich und machen keinen Ärger“, sagt der Friedhofspächter stoisch. „Das vergessen die Leute nicht.“

Vor allem Katzen und Hunde, aber auch Kaninchen, Wellensittiche, sogar einen Papagei hat er schon begraben. Und ein paar jüngere Leute seien mit ihren Ratten gekommen. „Für die war das kein Ungeziefer.“ Becker ist es egal. „Die könnten auch einen Skorpion anbringen“, sagt er nur.

Für mindestens drei Jahre müssen in Norderstedt die Gräber angemietet werden. Die meisten Kunden verlängerten dann um weitere drei Jahre. Länger meist nicht, „weil die Leute wohl davon ausgehen, dass von dem Tier dann nichts mehr übrig ist“, sagt Becker. Da sind die Kunden trotz allem recht pragmatisch. Auch die Größe des Tieres entscheidet darüber, wie lange man das Grab hält: Bei großen Tieren können es schon mal neun Jahre werden. Das größte je begrabene Tier dürfte nach Beckers Erinnerung „wohl eine Dogge“ gewesen sein. „Pferde und Ähnliches können wir nicht nehmen“, sagt er. „Das überfordert uns.“

Für die Romantiker unter den Kunden, die die Verwesung hinauszögern wollen, bietet Becker auf seiner Internetseite auch Tiersärge an. „Naja, Sarg ist übertrieben“, sagt er bescheiden. „Wir haben Holzkisten in drei Standardgrößen – für den Fall, dass jemand aus Pietät das Tier nicht einfach in eine Decke wickeln möchte.“

Der würdige Abschied sei äußerst wichtig für die Tierbesitzer, „und das betrifft wirklich alle: den Doktor wie den Hartz-IV-Empfänger“. Einen Beerdigungszug gebe es meist trotzdem nicht. „Es gibt auch keine Grabrede oder so etwas. Man kannte das Tier ja nicht, was soll man da groß sagen?“ Einmal aber sei bei der Bestattung sogar eine Pastorin dabei gewesen. „Aber ich hatte den Eindruck, dass die das nicht gern machte“, sagt Becker.

Und er selbst? Hat den Job zunächst aus der Not heraus angenommen, ihn aber schätzen gelernt. „Erstens habe ich drei Hunde hier liegen, fühle mich der Tierwelt also durchaus verbunden. Außerdem gefällt mir die Arbeit. Man ist – mit Ausnahmen – mit vielen netten Menschen zusammen und führt so manches intensive Gespräch. Und glauben Sie mir“, sagt er, „der Pastor erfährt bei der Beichte auch nicht mehr als ich.“ Denn er trifft die Menschen in ihrer schwachen Stunde. „Man muss natürlich ein Gefühl dafür entwickeln, wann es zu viel wird, und eine gewisse Distanz entwickeln.“ Die hat Becker, der die Anliegen seiner Kundschaft keineswegs lächerlich findet. Und er denkt ans Geschäft. „Ich würde mich freuen, wenn die Kunstaktion den Friedhof zu einem Anziehungspunkt machen würde.“

Vielleicht wird er das tatsächlich. Denn nur wer sich auf den Weg dorthin macht, wird erfahren, was Till Krause auf seine Emailplatte geschrieben hat. Vielleicht ja nur: „Kunst ist schön.“ Oder: „Dies ist kein Grabstein.“ Jürgen Becker ist es vermutlich gleich. PETRA SCHELLEN

Eröffnung: Sa, 19 Uhr, Restaurant „Zur Glashütte“, Segeberger Chaussee 309, Norderstedt. Das gestaltete Grab ist bis 2012 auf dem Tierfriedhof Nord, Wilstedter Weg 133 in Norderstedt zu sehen. Exakte Lage unter www.gfk.de