: Hiphop lebt im Bronxlauer Berg
Heute eröffnet der Hip Hop Stützpunkt mit einer Ausstellung der New Yorker Fotografin Martha Cooper. In einem Hinterhof in Prenzlauer Berg lässt Akim Walta ein Hiphop-Zentrum entstehen, das Studio und Museum zugleich ist
„Wild Style“ steht auf dem Teppich des Gästeraums, an den Wänden hängen Fotos, die New Yorker Straßenszenen Anfang der Achtziger zeigen: Kids mit Ghettoblastern, Cops in coolen Posen, ikonische Hiphop-Porträts. Wir gehen durch das schicke Videostudio mit neuen Laptops ins Musikstudio. Die Ziersäulen, die sich durch das ganze Gebäude ziehen, sind „original New Yorker U-Bahn-Style“. Was einem Akim Walta da vorführt, ist eine perfekt gemachte Computeranimation, die demnächst Realität werden soll.
So soll das Gebäude gegenüber Waltas Büros in ungefähr zwei Monaten aussehen. Akim Walta wird hier, in der sogenannten Marienburg, einen „Hip Hop Stützpunkt“ errichten. Ein Ort des Austauschs für die Berliner Hiphop-Szene soll hier entstehen, eine Multifunktionsstätte, an der es Breakdance-Workshops geben wird und wo man Hiphop-Platten produzieren kann. Außerdem soll es um die Geschichte der Hiphop-Kultur gehen, die hier in einem lebendigen Museum bewahrt werden soll. Walta will Teile seiner eigenen Hiphop-Sammlung, etwa den B-Boy-Style prägende Sneaker oder frühe Plattenspielermodelle, ausstellen. Außerdem sollen Hiphop-Filme, Videoclips und Dokumentarisches, etwa Aufnahmen von Breakdancern auf der Straße digitalisiert und archiviert werden. „Mein Ziel ist es, Wissen weiterzugeben und Hiphop der Gesellschaft näher zu bringen“, sagt Walta. Noch ist der zukünftige Hip Hop Stützpunkt freilich eine Baustelle, bei der man sich kaum vorstellen kann, dass bis zur heutigen, noch eher provisorischen Eröffnung der ganze Schutt verschwunden sein wird.
Es werden Fotos der New Yorker Hiphop-Chronistin Martha Cooper gezeigt, deren Arbeiten Walta als Fotoband in seinem eigenen Buchverlag herausgebracht hat. Cooper war Fotografin der New York Post mit Kontakten zur Kunstszene. Sie brachte die Hiphop-Szene einst nach Downtown. Doch noch wird in dem Gebäude, das mit seinen Backsteinen einen rohen Charme versprüht und tatsächlich ein wenig an New York erinnert, geklopft und gehämmert. Der 1928 entstandene Bau in einem Hinterhof in Prenzlauer Berg, der einst die Schaltzentrale eines Umspannwerks beherbergte und heute unter Denkmalschutz steht, hat sich in einen neuen Kreativstandort verwandelt, an dem sich gleich mehrere Druckereien neben Galerie und Künstlerbedarfsladen niedergelassen haben. „Im Moment muss man noch Fantasie mitbringen und wissen, dass wir mal zwei Nächte durcharbeiten können“, beruhigt Walta.
Szene-Urgestein, das ist ein gruseliger Begriff, doch auf den Mittdreißiger passt er wie die Baseballkappe auf den Kopf von 50 Cent. In Waltas Leben dreht sich alles um Hiphop, und mit seiner Leidenschaft hat er bislang eine Menge Geld umgesetzt. Walta ist ein Hiphop-Impressario: Die ersten Breakdance-Weltmeisterschaften hat er in Deutschland veranstaltet, die ersten Graffiti-Bildbände herausgebracht, er besitzt ein Label und einen Buchverlag. Heute berät er Nike und Adidas in Stylefragen.
Nun aber will er nachwachsenden Breakern helfen, professionell. Beinahe schon rührend wirkt sein Antrieb, Hiphop als Kultur mit Tradition zu fördern. Gerade in Berlin, wo man die Kultur schnell unter den Tisch fallen lässt, wenn sich mit ein wenig Gangstarap-Klamauk mehr Geld verdienen lässt. Doch Hiphop-Kultur ist für Walta eine große Sache, auch deshalb kann der Ort, den er ihr geben will, auch gar nicht groß genug sein.
Ungefragt holt er plötzlich eine imposante Computergrafik aus der Schublade. Ein riesiger, futuristisch anmutender Gebäudekomplex ist darauf zu sehen. „Museum of Urban Arts“ steht darüber. Was wir hier zu Gesicht bekommen, ist die eigentliche Vision von Walta, die Vision eines „Campus der Jugendkulturen“. Das ist sein Traum, ein riesiges Hiphop-Museum in XXL. „Der Stützpunkt ist nur ein Weg dorthin“, sagt Walta, das eigentliche Ziel sei ein Museum, so groß wie das New Yorker Museum of Modern Art (MoMA).
Hier soll Hiphop dann endgültig ankommen, und seine Geschichte, von den Anfängen in der Bronx bis ins Jetzt, in einem würdigen Maßstab zugänglich gemacht werden. „Ich sehe halt einfach, dass das gemacht werden sollte“, sagt Walta. Und wenn nicht von ihm, von dem dann?
ANDREAS HARTMANN
Fotos der Hiphop-Dokumentaristin Martha Cooper sind ab sofort im Hip Hop Stützpunkt in der Marienburger Str. 16 in Prenzlauer Berg zu sehen