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Archiv-Artikel

DNA-Probe verliert Begründung

BÖLLERWURF Amtsgericht Göttingen spricht Antifa-Aktivisten vom Vorwurf der schweren Körperverletzung frei. Mit dem Verdacht hatte die Staatsanwaltschaft eine DNA-Entnahme gerechtfertigt

Von BELA
Keiner der Polizeizeugen habe Martin R. identifizieren können, sagte die Richterin

Es ging in diesem Strafprozess nicht nur um die Frage, ob Martin R. auf einer Demonstration im Januar 2010 einen Silvesterböller geworfen und dadurch einem Polizisten ein Knalltrauma zugefügt hatte. Verhandelt wurde indirekt auch darüber, ob eine zwangsweise Entnahme seiner DNA durch die Polizei im Januar 2011 gerechtfertigt war. Diese wurde damit begründet, dass er einer „Straftat von erheblicher Bedeutung“ verdächtigt wurde. Seit dem gestrigen Montag steht fest: Der Eingriff in die Rechte Martin R.s war nicht gerechtfertigt.

Andrea Tietze, Richterin am Amtsgericht Göttingen, sah es als nicht erwiesen an, dass Martin R. den Knaller geworfen hatte. „Es gibt in diesem Fall so viele Unwahrscheinlichkeiten und Unklarheiten, dass ich den Angeklagten nicht guten Gewissens verurteilen kann“, sagte sie. Keiner der Polizeizeugen habe Martin R. identifizieren können. Tietze sprach den 21-jährigen Antifa-Aktivisten vom Vorwurf der vorsätzlichen gefährlichen Körperverletzung frei.

Von diesem Vorwurf war auch die Staatsanwaltschaft bereits abgerückt, weil nicht nachzuweisen gewesen sei, dass R. dem Polizisten habe Schaden zufügen wollen. Er habe den Böller auch nicht in Richtung der Polizisten geworfen, sondern nur auf den Boden fallen lassen, sagte eine Referendarin der Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer. Sie forderte eine Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung.

„Die gefährliche Körperverletzung hätte niemals angeklagt werden dürfen“, sagte R.s Anwalt Sven Adam. Dann wäre es seiner Einschätzung nach auch zu keiner DNA-Entnahme gekommen. „Ein laufendes Verfahren sollte offenbar genutzt werden, um die dauerhafte Speicherung des Mannes in einer Verbrecherkartei zu rechtfertigen“, bemängelte der Anwalt. Bereits ein Jahr zuvor hatte die Polizei R. verdächtigt, einen Brandsatz in der Ausländerbehörde des Landkreises gelegt zu haben. Eine Observation hatte die Staatsanwaltschaft damals jedoch abgelehnt. BELA