: Dylan ehren, anonym tanzen
Eine Dylan-Tributband würde man sich normalerweise wohl etwas anders vorstellen. Absolutely Sweet Marie geben sich im Namen zwar als Fans zu erkennen – immerhin haben sie sich nach einem Song Bob Dylans benannt –, sie spielen zudem Kompositionen des Singer-Songwriters, so weit stimmt also alles. Aber Gesang?
Nein, bei Absolutely Sweet Marie handelt es sich um ein Jazzquartett ohne Stimmeneinsatz. Vielmehr wählte man die Besetzung Trompete, Posaune, Tenorsaxofon und Schlagzeug. Für die Berliner Musiker Steffen Faul, Matthias Müller, Alexander Beierbach und Max Andrzejewski bedeutet das jede Menge Beweglichkeit. Mal legen sich die Bläser als Stimmengeflecht über das wahlweise straffer oder freier agierende Schlagzeug, mal treten sie als kompakte Blaskapelleneinheit in Erscheinung, mal lassen sie es aus ihren Instrumenten unheilschwanger brodeln.
Von den einzelnen Songs, darunter „All Along the Watchtower“ oder „Don’t Think Twice, It’s Alright“ kann man hier und da die Melodie wiederfinden, doch mitunter verzichten die Musiker vollständig auf Wiedererkennungseffekte und konzentrieren sich bloß auf Bruchstücke einzelner Aufnahmen. Wer seine Lieblings-Dylan-Nummern unbedingt mitsingen möchte, kommt vielleicht nicht immer auf seine Kosten, dafür geht der Versuch, sich Dylan in einem ungewohnten Vokabular zu nähern, bestens auf. Die Songvorlagen sorgen für eine – gelegentlich rudimentäre – Struktur der Nummern, und der oft an Free Jazz gemahnende Ansatz überführt die Songs in eine Form, mit denen sich die Band vor ihrem Vorbild verneigt, ohne sich selbst als Künstler darüber zu vergessen.
Eine künstlerische Selbstbesinnung ist auch das zweite Album von Steffi, ihres Zeichens Resident-DJ in der Panorama Bar: Für die Dauer einer Stunde verwirklicht die Produzentin ihre Vorstellung vom heutigen Geschehen auf der Tanzfläche. Gegenüber ihrem mehr dem klassischen House verhafteten Debütalbum „Yours & Mine“ lässt sich Steffie Doms diesmal stärker von ihren frühen Einflüssen leiten und hat etwa den Titeltrack mit IDM-Anleihen inklusive Breakbeats versehen. An anderer Stelle, wie in „Bang For Your Buck“, zeigt sie sich als alter Electro-Fan, und „Treasure Seeking“, die einzige Nummer mit Gästen, empfiehlt sich als großer Dancefloor-Hit – zum Mitsingen.
TIM CASPAR BOEHME
■ Absolutely Sweet Marie: „Roads, Doves and other Stuff“ (Tiger Moon Records)
■ Steffi: „The Power of Anonymity“ (Ostgut Ton/Kompakt), Release-Party am 8. 11., Panorama Bar