Illegale Ölsuche vor Marokkos Küste

RESSOURCEN Der weltgrößte Rohstoffkonzern plant Bohrungen vor der Westsahara – einem völkerrechtswidrig besetzten Gebiet. Er ist nicht der einzige, der hier auf Ölsuche gehen will

GENF taz | Glencore, weltgrößter Rohstoffkonzern mit Sitz im Schweizer Kanton Zug, will im Dezember mit illegalen Ölbohrungen vor der Küste der von Marokko völkerrechtswidrig besetzten Westsahara beginnen. Das Vorhaben stößt auf scharfen Protest der entwicklungspolitischen Schweizer Nichtregierungsorganisation Erklärung von Bern (EvB).

Glencore hatte von der marokkanischen Regierung 2013 zwei Ölbohrlizenzen für die beiden Offshore-Ölfelder Foum Ognis und Boujdour Shallow erworben. In einer Präsentation des Projekts für potenzielle Geschäftspartner und Kunden behauptet der Konzern fälschlicherweise, die beiden Ölfelder befänden sich in den Territorialgewässern Marokkos.

Marokko hält die Westsahara seit dem Abzug der spanischen Kolonialmacht 1975 völkerrechtswidrig besetzt. Seitdem floh rund die Hälfte der dortigen Bevölkerung und lebt in Flüchtlingslagern in Algerien. Die seit 39 Jahren laufenden Bemühungen der UNO um eine Lösung des Konflikts waren bislang ohne Erfolg, weil die marokkanische Regierung ein international überwachtes Referendum unter der westsaharischen Bevölkerung über die Zukunft des Territoriums ablehnt.

Gefahr für Friedensprozess

Die Erklärung von Bern befürchtet, dass die geplanten Ölbohrungen „den UNO-Friedensprozess noch weiter unterminieren werden“. Denn solange Marokko dank Geschäftspartnern wie Glencore von den Rohstoffen der Westsahara profitiert, habe die Regierung in Rabat keinen Anreiz, sich ernsthaft an diesem Prozess zu beteiligen.

Laut einem Gutachten der Rechtsabteilung im New Yorker UNO-Hauptquartier sind Ölbohrungen oder andere Rohstoffausbeutungen in einem besetzten Gebiet illegal, wenn sie ohne die ausdrückliche Zustimmung der lokalen Bevölkerung erfolgen. Diese Zustimmung liegt nicht vor. Wie alle übrigen 191 UNO- Staaten erkennt auch die Schweiz den marokkanischen Herrschaftsanspruch über die Westsahara nicht an. Das Schweizer Freihandelsabkommen mit Marokko gilt daher ausdrücklich nicht für das völkerrechtswidrig besetzte Gebiet.

Die EvB legte im September den Entwurf für eine Rohstoffmarktaufsicht Schweiz (ROHMA) vor. Gemäß diesem Vorschlag wäre es einer Firma wie Glencore schlicht verboten, ohne ausdrückliche Bewilligung der Marktaufsicht in Konfliktregionen, gescheiterten Staaten oder besetzten Gebieten Geschäfte zu tätigen. Damit würde verhindert, dass in der Schweiz ansässige Rohstofffirmen riskieren, gegen internationale Rechtsprinzipien zu verstoßen und sich eventuell sogar des Kriegsverbrechens der „Plünderung“ schuldig zu machen.

Derartige Regeln wären auch über die Schweiz hinaus erforderlich. Denn auch der US-Konzern Kosmos Energy und das schottische Unternehmen Karin Energy wollen demnächst Ölbohrungen vor der Küste der Westsahara beginnen.

ANDREAS ZUMACH