: LKA zahlt Linksfraktion aus
POSSE Ein Spitzel schnüffelte bei der Linksfraktion, ließ sich dann von ihr die Fahrtkosten erstatten. Jetzt zahlt das LKA das Geld zurück – stolze 40 Euro
VON MARTIN KAUL
BERLIN taz | Es ist die Wende in der schönsten Spitzelposse Deutschlands: Weil ein verdeckter Ermittler des baden-württembergischen Landeskriminalamts (LKA) nicht nur eine Veranstaltung der Linksfraktion in Berlin aushorchte, sondern sich von der Fraktion dafür auch die Fahrtkosten erstatten ließ, musste jetzt das LKA einen amüsanten Brief schreiben. Empfänger: Gregor Gysi.
„Ich darf Ihnen mitteilen, dass die von Ihnen in Ihrem Schreiben geforderte Rückzahlung der Fahrtkosten für Mai 2010 in Höhe von 40,00 Euro am 28. Juni 2011 auf das von Ihnen angegebene Konto bei der Berliner Volksbank überwiesen wurde“, steht in dem Brief, der der taz vorliegt. Ein spröder Satz, so trocken. Doch hinter der Mitteilung eines schlichten Verwaltungsvorgangs steckt eine schöne Anekdote aus dem Reich der verdeckten Ermittlung.
Ende letzten Jahres war in Heidelberg ein unter dem Tarnnamen „Simon Brenner“ agierender LKA-Polizist von Studenten enttarnt worden. Er hatte dort monatelang linke Studierende im Studentenverband SDS und anderen Gruppen ausgeforscht hatte. Bis heute ist ungeklärt, ob der Einsatz des verdeckten Ermittlers juristisch zu rechtfertigen war.
Doch Brenner war nicht nur in Baden-Württemberg unterwegs, sondern auch in Berlin. Dort besuchte er am 2. Mai 2010 eine Veranstaltung der Linksfraktion, organisiert von deren hochschulpolitischer Sprecherin Nicole Gohlke. Und: Brenner schaute sich dort nicht nur um, sondern ließ sich von der Linksfraktion auch die Fahrtkosten für seine Anreise erstatten. Kostenpunkt: magere 40 Euro. Das aber erzürnte den Fraktionschef der Linken dermaßen, dass Gregor Gysi Strafanzeige erstattete – wegen Betrugs (taz vom 9. April 2011).
Veranstaltungen von Fraktionen im Deutschen Bundestag müssten besonders geschützt sein, so Gysi damals. Und die Bespitzelten dann noch selbst für deren Bespitzelung zahlen zu lassen? Eine Dreistigkeit, fand Gysi. Jetzt kann er aufatmen: Die 40 Euro sind zurück.
„Das ist in gewisser Weise ein Eingeständnis und löst ein kleines Gefühl von Genugtuung aus“, sagte Bundestagsabgeordnete Nicole Gohlke der taz. „Doch es ist natürlich nur ein kosmetisches Signal. Uns geht es ja nicht um die 40 Euro, sondern um die Frage der Überwachung.“ Für die Linksfraktion ist weiterhin offen, welchen Auftrag Brenner in Berlin überhaupt hatte.
Nach Angaben der Berliner Polizei soll der Spitzel seinerzeit keinen konkreten Forschungsauftrag gehabt haben, sondern nur zum „Ausbau seiner Grundlegende“ in der Hauptstadt gewesen sein. Gleiches verlautet aus Reihen des baden-württembergischen LKA.
Dass dieses die offene Quittung nun zahlte, könnte noch einen anderen Hintergrund haben: Das eingeleitete Strafverfahren wegen Betrugs ist weiter offen und derzeit bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart anhängig – Ende offen.
Landet das Verfahren vor Gericht, könnte es zu einem Kampf um die Einsicht in Akten kommen, die das LKA nur äußerst ungern preisgeben dürfte. So mutmaßen Angehörige der Linkspartei, die freiwillige Rücküberweisung sei nur ein Schachzug der Behörden gewesen, um dem offenen Strafverfahren die Basis zu entziehen.
Sind die 40 Euro also ein großes Schuldeingeständnis? Ein Sprecher des baden-württembergischen Landeskriminalamts wollte sich gegenüber der taz nicht zu dem Fall äußern. Doch aus Reihen des LKA ist zu hören: Zu Rückerstattungen seien die Behörden sogar verpflichtet. Ausgaben in dem Fall seien minutiös dokumentiert und belegbar. Und der Kollege, Tarnname Brenner, habe sich nichts zu schulden kommen lassen. Den Rest, den muss nun Gregor Gysi klären. Und die Stuttgarter Staatsanwaltschaft.