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Archiv-Artikel

Wer nichts hat, darf’s nicht verspielen

GLÜCKSSPIEL Landgericht Oldenburg verbietet niedersächsischer Lottogesellschaft, Armen auch die Notgroschen noch abzuknöpfen. Die befürchtet Diskriminierung und sieht keine Rechtsgrundlage

Das Urteil treibe Hartz-IV-Empfänger in die Arme illegaler Wettanbieter

Lotto-Annahmestellen in Niedersachsen dürfen keine Wetteinsätze annehmen, wenn sie vermuten, dass diese die Spieler finanziell überfordern. Das Oldenburger Landgericht bestätigte am Mittwoch eine entsprechende Verfügung und wies damit eine Beschwerde der „Toto-Lotto Niedersachsen GmbH“ ab. Die kündigte an, alle Rechtsmittel auszuschöpfen. Gegen das Urteil ist eine Berufung beim Oberlandesgericht möglich.

Ein Wettanbieter aus Malta hatte die Verfügung im April erwirkt. Er hatte TestspielerInnen in die Annahmestellen geschickt: Minderjährige, eine als gesperrt vermerkte Spielsüchtige und bekennende Arbeitslosengeld II-EmpfängerInnen. Im Hartz-IV-Paket sind etwas unter 40 Euro für „Freizeitangebote“ vorgesehen. In den Annahmestellen fand man unproblematisch, dass die SpielerInnen teils für mehr als 50 Euro Wetten platzierten. Dabei wird das staatliche Glücksspiel-Monopol mit der Hoffnung begründet, es könne die Spielsucht bekämpfen. Ein legitimes Anliegen laut Europäischem Gerichtshof – das den Glücksspiel-Staatsvertrag im September dennoch kassierte, weil er das Ziel zu unsystematisch verfolgt.

Noch schwieriger scheint das in der Praxis: So fühlt sich die Lotto-Niedersachsen Geschäftsführung laut Sprecher Rolf Stypmann vor „eine unlösbare Situation“ gestellt: „Wir sehen keine gesetzliche Grundlage dafür, dass Hartz-IV-Empfänger nicht am öffentlichen Glücksspiel teilnehmen können“, so Stypmann. Durch das Urteil würden diese nun „in die Arme illegaler Sportwettenanbieter getrieben“.

Niemandem werde das Lottospielen verboten, sagten die Oldenburger Richter hingegen. Im Zweifelsfall müssten die Mitarbeiter der Annahmestellen jedoch ihre Kunden befragen, ob sie sich die Wette leisten könnten – und gegebenenfalls auf die Annahme des Wettscheins verzichten. Dieselbe Rechtsauffassung hatte im Mai das Landgericht Köln in einem analogen Verfahren vertreten.  (epd/dpa/taz)