Werktätige enttäuscht von der SPD

300 streikende Telekom-Mitarbeiter errichten vor der Hamburger SPD-Zentrale eine Mahnwache. Sozialdemokraten in Regierungsverantwortung werfen sie vor, ihnen im Konflikt mit der Konzernleitung in den Rücken zu fallen

In seine fünfte Woche ist der Arbeitskampf um das Outsourcing von bundesweit 50.000 Telekom-Beschäftigten in Service-Gesellschaften inzwischen gegangen. Gestern bezog die Gewerkschaft Ver.di nun die SPD in den Konflikt mit ein: 300 streikende Telekom-Beschäftigte richteten gestern Morgen vor der SPD-Zentrale im Hamburger Kurt-Schumacher-Haus eine Mahnwache ein. „Es ist geradezu unerträglich“, heißt es in einer Resolution der Streikenden, „in welcher Form sich Sozialdemokraten im Aufsichtsrat der Telekom präsentieren“.

Eine „Filetierung des Konzerns“, schreiben die Telekom-Beschäftigten, sei „weder mit ihrem parlamentarischen Auftrag noch ihren sozialdemokratischen Wurzeln zu vereinbaren“. Besonders ins Visier ist der ehemalige Hamburger SPD-Bürgermeisterkandidat und heutige Finanzstaatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Thomas Mirow geraten. Er habe als Telekom-Aufsichtsratsmitglied die Vorstandspläne gebilligt, die Mitarbeiter in neue Firmen auszugliedern, in denen sie dann länger arbeiten und weniger verdienen sollen, wirft ihm die Gewerkschaft vor.

Weiteres Objekt ihrer Enttäuschung: SPD-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück – schließlich habe der Bund als Telekom-Hauptaktionär zwar im vorigen Jahr eine Milliarde Euro Dividende eingestrichen, mache aber gegen „Lohn- und Sozialdumping“ seinen Einfluss nicht geltend. Ferner: Ingrid Matthäus-Maier, die für die KfW-Bankengruppe im Telekom-Aufsichtsrat sitzt, sowie Matthias Kurth, der Präsident der Bundesnetzagentur.

Ver.di-Vize-Arbeitskampfleiter Hans-Jürgen Klempau erinnerte daran, dass „die Politik“ bei der Privatisierung der Post die Beschäftigten schon einmal „im Regen stehen gelassen“ habe – die Folge sei der Verlust von 120.000 Arbeitsplätze gewesen. Für Hamburgs Ver.di-Landeschef Wolfgang Rose gilt es bei der Telekom gar, „das Soziale an der Marktwirtschaft zu retten“.

SPD-Landeschef Ingo Egloff bemühte sich offenkundig um Schadensbegrenzung: Er finde es „nicht in Ordnung“, erklärte er vor den Streikenden, wenn ein staatliches Unternehmen „die soziale Frage“ ausblende. Er hoffe, dass es einigen Hamburger SPD-Bundestagsabgeordneten – darunter Ex-Bürgermeister Ortwin Runde – gelinge, bei der Bundesregierung „Pflöcke einzuschlagen“ und das „Dumping für die Arbeitnehmer“ zu stoppen.

Die Mahnwache bleibt bis zum Ende des Streiks rund um die Uhr besetzt. KAI VON APPEN