LESERINNENBRIEFE
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Konfrontativ und herablassend

■ betr.: „In Syrien nicht zu intervenieren war ein Fehler“, taz vom 1. 11. 14

Seit Joschka Fischers Begründung für die militärische Intervention in Jugoslawien, man müsse damit ein neues „Auschwitz“ vermeiden, ist bei seinen politischen Positionen eine gewisse Vorsicht geboten. Ähnlich grobschlächtig sind seine Aussagen über „Putin-Versteher“ und den angeblichen Antiamerikanismus in Deutschland. Ich empfehle ihm den Aufsatz von John Mearsheimer im Foreign Affairs Magazine, für mich der Prototyp des klassischen, unbestechlichen und scharf denkenden amerikanischen Politikwissenschaftlers: „Why the Ukraine Crisis Is the West’s Fault“. Mearsheimer sieht, gemäß dem Diktum von Kissinger, eine politische Konfrontation auch mit den Augen des Anderen und verweist auf die Mitschuld des Westens in der Ukraine-Frage.

Joschka Fischer ist weit von dieser Art Denken entfernt und liegt eher auf der Linie einer amerikanischen Politikergruppe, die Madeleine Albright oder Victoria Nuland nahesteht, wenn nicht sogar dem „Project for the American Century“. Das Tragische dieser zumeist in Osteuropa geborenen oder von dort abstammenden Amerikaner ist, dass sie, aus historischem und persönlichem Trauma heraus, nicht mehr souverän analytisch denken, sondern, durch die vergleichsweise sensationellen Freiheiten Amerikas verführt, konfrontativ und herablassend über ihre Herkunftsländer und deren Probleme urteilen. Auch Joschka Fischer, allzu frischer und unerfahrener Amerika-Freund, ist kein guter Ratgeber, sondern Agitator. GEORGE RAYMOND, Bremen

USA-Verehrer

■ betr.: „In Syrien nicht zu intervenieren war ein Fehler“, taz vom 1. 11. 14

Was ist an J. Fischer noch „grün“, das fragt man sich nach diesem Interview. Penetrant ist unter anderem seine völlig unkritische Bewertung der USA – um nicht zu sagen „Verehrung“. Im Übrigen: Nichts Neues aus dem Munde dieses Machtmenschen. Sehr enttäuschend! HARALD VIETH, Hamburg

Wahn statt Vision

■ betr.: „Der erste Schritt ist eine Vision“, taz.de vom 31. 10. 14

Wie sagte Helmut Schmidt einmal: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen. Joschka würde ich das auf jeden Fall empfehlen – der hat seine „Visionen“ von früher mal schnell auf den Müll geworfen und dafür jetzt machtpolitische Wahnvorstellungen. ANTARES56, taz.de

Regieren um jeden Preis

■ betr.: „In Syrien nicht zu intervenieren war ein Fehler“, taz vom 1. 11. 14

Vom Sessel aus sieht die Welt so schön übersichtlich aus. Vereinigtes Europa hier, Schuldenmachen dort, Intervention wenn’s gerade passt. Natürlich auch für die Ukraine einen Tipp, Putin nicht zu vergessen, und natürlich die Türkei. Und jetzt kommt’s: der verdammte Antiamerikanismus. Joschka, hast du sie noch alle? Was mich am allermeisten geärgert hat, sind die Bemerkungen zur Politik der Grünen. Die Grünen wollen also regieren, um alles in der Welt. Der Kesselflickerstreit sei damit beendet.

Joschka hat nicht einmal bemerkt, dass er zu seiner Zeit das sogenannte grüne Projekt beinahe zum Scheitern gebracht hätte. Gerade weil er den Realowahn auf die Spitze getrieben hat. Regieren um jeden Preis. Und scheinbar hat er auch vergessen, dass die satten Anteile bei Wahlen immer einen Vorgänger in der konstruktiven Auseinandersetzung der Grünen hatten. Das hat sie befruchtet, und nicht der Unsinn von den Koalitionen mit XY. Die Leute rennen weder wegen dem Veggieday noch wegen einer Koalition mit Linken und Roten weg. Sie rennen weg, weil die Grünen der Wählergunst hinterherrennen, anstatt die Gunst der Wähler durch klare inhaltliche Positionierung zu gewinnen. Und dazu gehören auch unangenehme Botschaften. WOLFGANG RAUCH, Kronau