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Archiv-Artikel

Der Letzte macht das Licht aus

Den privatisierten städtischen Asklepios-Kliniken in Hamburg droht der Kollaps, dem CDU-Senat ein Desaster. 900 Beschäftigte des Klinik-Konzern wollen von dem ihnen zugesicherten Rückkehrrecht in den Öffentlichen Dienst Gebrauch machen

Der Landesbetrieb Krankenhäuser

Der Hamburger Senat aus SPD und Stattpartei hatte 1995 die zehn städtischen Kliniken in eine Gesellschaft des Öffentlichen Rechts – den Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) – zusammengeführt. Ziel war es, durch Kooperation die Kliniken einerseits zu modernisieren, andererseits aber auch Personal einzusparen. Als Zugeständnis bekamen die Beschäftigten, die bis dato Angestellte des Öffentlichen Dienstes waren, die Zusage, jederzeit in den Öffentlichen Dienst zurückkehren zu können. Der CDU-Senat beschloss 2003, die Mehrheitsanteile an einen privaten Investor zu verkaufen. Dagegen regte sich Widerstand: In einem Volksentscheid im Februar 2004 votierten 76,8 Prozent der HamburgerInnen für einen Verbleib bei der Stadt. Dennoch verscherbelte der CDU-Senat zunächst 49,9 Prozent der LBK-Anteile an den Königsteiner Asklepios-Klinikkonzern. Seit dem 1. Januar ist Asklepios mit 74,9 Prozent Mehrheitsgesellschafter.  KVA

VON KAI VON APPEN

Die Betriebsräte der Asklepios Kliniken Hamburg GmbH schlagen Alarm: „Uns zerbröselt der Betrieb unter den Händen.“ Die Gesamtbetriebsratsvorsitzende Katharina Ries-Heidtke zeichnet ein düsteres Bild. 900 MitarbeiterInnen haben schriftlich von ihrem Rückkehrrecht in den Öffentlichen Dienst der Stadt Gebrauch gemacht (siehe Kasten). In einem offenen Brief an die Hamburger Bürgerschaftsabgeordneten fordern die Betriebsräte aller sechs Kliniken sowie der zahlreichen Tochter- und Servicegesellschaften die gewählten Vertreter auf, als Mitgesellschafter ihren Einfluss auf Asklepios geltend zu machen.

Denn die Flucht aus dem Krankenhaus-Betrieb ist noch nicht zu Ende. Schon jetzt haben Mitarbeiter vieler Bereiche und Berufsgruppen ihr Rückkehrrecht angemeldet. Operationsteams, MitarbeiterInnen aus Anästhesie, Endoskopie, Labor und Blutspendedienst, Verwaltung, Technik, sowie 200 Pflegekräfte und Kita-Erzieherinnen wollen bei Aspklepios ausscheiden. Fast drei Wochen haben die Beschäftigten – die schon vor 1995 beim LBK (Landesbetrieb Krankenhäuser) angestellt waren – noch Zeit, über die Rückkehr nachzudenken. Sollte heute der neue Tarifvertrag mit dem Krankenhaus Arbeitgeber Verband (KAH), den Asklepios dominiert, nicht zustande kommen, könnte laut Ver.di-Sekretärin Hilke Stein noch eine „Rückkehrwelle ausgelöst“ werden.

Schon jetzt ist die Stimmung unter den 11.500 Krankenhaus-Bediensten auf dem Tiefpunkt. Immer neue Outsourcing-Pläne und Umstrukturierungen, keine langfristigen Beschäftigungsgarantien und permanente Personalengpässe: „Viele Pflegekräfte können die Frustration nicht mehr länger aushalten“, sagt Ries-Heidtke.

So wie Christa B. Die 57-Jährige ist seit 35 Jahren beim LBK als Krankenschwester angestellt. „Ich liebe diesen Beruf“, sagt sie, „aber ich kann ihn nicht mehr richtig ausüben, sondern muss mich dauernd bei den Patienten entschuldigen.“ Die examinierte Krankenschwester betreut in einer Abteilung zusammen mit einer Kollegin 30 PrivatpatientInnen aus fünf Fachgebieten. Die Arbeit habe sich enorm verdichtet, Überstunden seien die Regel, oft beschränke sich die Pflege nur noch auf „satt und sauber“, sagt B. „Ich möchte wieder nachts schlafen können, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, die Patienten nicht angemessen versorgt zu haben“, sagt die Krankenschwester. Auch wenn es für sie keine große Perspektive im Öffentlichen Dienst gebe, weil die Stadt keinen adäquaten Job für sie hat, habe sich sich zum Weggang entschlossen. „Schlimmer als jetzt kann es nicht werden.“

Auch Brigitte R. hat sich zur Rückkehr entschlossen: „Es ist schon ein Phänomen, mit welch Engagement die demotivierten Leute noch arbeiten“, sagt sie. Das liege wohl daran, dass der LBK einst einmal ein traditionell gewachsenes tolles Unternehmen war. Die Verwaltungsangestellte hat sich ihre Entscheidung lange überlegt, doch die letzten abfälligen Äußerungen des Asklepios-Management über die Verwaltung hätten das Fass zum Überlaufen gebracht: „Es gibt keinerlei Wertschätzung unserer Arbeit“, sagt sie. „Das Vertrauen ist weg.“

„Die Rückkehrer-Folgen sind auch für die Stadt gravierend“, sagt Ries-Heidkte. Trotz der im Vertrag vorgesehenen Ausgleichzahlung von 25.000 Euro pro RückkehrerIn tue sich für die Stadt ein „finanzieller Abgrund“ auf. Denn Asklepios hatte sich bei der Übernahme nur auf ein maximales Volumen von 15 Millionen Euro eingelassen. Rechne man jetzt mit 1.000 Rückkehrenden, die ein Jahresgehalt von 50.000 Euro bekommen, müsse die Stadt pro Jahr 50 Millionen Euro aufbringen.

„Die Rückkehrer müssen gestoppt werden“, sagt Ries-Heidtke, „damit der Betrieb nicht leer läuft und die Versorgung der Patienten gesichert ist.“ Es sei unerträglich, dass sich der Senat nicht kümmert. Wenn die Stadt als Mitgesellschafterin Asklepios längerfristige Beschäftigungsgarantie abtrotzten könnte, könnten die Rückkehrer gestoppt werden und auch so manches Rückkehrer-Rückkehrer-Gespräch, das zurzeit geführt würde, erfolgreich verlaufen, sagt Reis-Heidtke. Asklepios-Vorstandssprecher Elma Willebrand wies am Abend die Vorwürfe zurück.