: „Mutti und die Mädels“
FRAUEN Interessiert sich nur der Boulevard für Frisuren und Beziehungsstress?
„Zu attraktiv für die Politik?“ So klingt es, wenn die Bild über Perspektiven für die Ex-Piraten-Geschäftsführerin Marina Weisband spekuliert. Falsch gedacht! Nicht der Boulevard reduziert sie hier aufs Äußere, sondern das FAZ-Feuilleton. Dabei sind doch eigentlich Bild, B.Z. und Co. für oberflächliche Berichterstattung zuständig. Oder?
Mit Merkel und von der Leyen sind starke Frauen an der Spitze angekommen. In den Medien werden sie aber oft zu „Mutti“ und „Uschi“.
Wieso eigentlich? „Eine Politikerin wird auch heute noch häufiger wegen ihrer Doppelrolle mit Fragen nach Frisur und Familie konfrontiert“, sagt Kommunikationswissenschaftlerin Christina Holtz-Bacha von der Uni Erlangen.
Dieses Problem wiegt beim Boulevard oft schwerer. „Boulevardmedien legen andere Auswahlkriterien für einen Artikel an und gehen schneller ins Private.“
Bild-Beiträge wie „Andrea Nahles ist nicht mehr Single“ überraschen da nicht. Dafür aber die Studie der Medienforscherinnen Ines Engelmann und Katrin Etzrodt. Das Ergebnis: Gerade Bild.de unterscheidet bei pikanten Fragen zum Privatleben nicht zwischen Frauen und Männern.
Auch Doris Akrap, ehemalige B.Z.-Redakteurin, meint, dass das Interesse an persönlichen Geschichten geschlechterübergreifend ist: „Letztlich soll ein Promi menschlicher erscheinen, egal ob Mann oder Frau. Dieses Interesse haben aber auch seriöse Medien.“ Ziel des Boulevards sind also nicht immer schmutzige Schlagzeilen.
Qualitätsmedien unterscheiden oft subtiler zwischen Mann und Frau. „Auch die FAZ hebt die Weiblichkeit von Politikerinnen hervor, wenn von ‚Frau Merkel‘ aber nicht von ‚Herrn Schäuble‘ die Rede ist“, sagt Holtz-Bacha.
Der Mütterlichkeitsmythos lebt. Verteidigungsministerin von der Leyen wird in der SZ zur „Mutter der Kompanie“, die Ministerinnen sind in der FAZ „Muttis Mädchen“.
Und die Männer? Auch Sigmar Gabriel wird nicht verschont. Wenn der Wirtschaftsminister mit seiner großen Koalition „durch dick und dünn“ geht, entscheidet in einer Fülle von Artikeln sein „Bauchgefühl“.
JULIA HEUERMANN, NINA MONECKE