Kunst geht in die Knochen
MUSEUMSDIDAKTIK Mit induktiven Knochenschall-Hörstationen verschafft die Kunsthalle Kindern unmittelbare Zugänge zu Bildern und Plastiken
Wer das Kinn auf einen Kontaktpunkte legt und sich die Ohren zuhält, vernimmt die Texte übers Innenohr
Mit neuen Ideen und ungewöhnlicher Technik versucht die Kunsthalle in Bremen, kleinen Kindern den Zugang zu abstrakter Kunst zu bewahren. Auf einem speziell für die jüngsten Besucher eingerichteten Parcours durch die Sammlung unter der Leitfrage „Was siehst Du?“ werden sie dazu angeregt, ihre eigenen Gedanken zu nicht-gegenständlichen Werken nicht zu unterdrücken. Das geschehe unter anderem durch tiefer gehängte Bilder, einem Führer im Pixi-Buch-Format und technisch neuartigen Hörstationen, erläuterte am Montag Kurator Hartwig Dingfelder.
Das bundesweit einzigartige Modellprojekt wird unter anderem durch die Initiative „Kunst und Spiele“ der Robert-Bosch-Stiftung unterstützt. Insgesamt 17 Kunstwerke umfasst der Parcours, den die Kunsthalle am Montag eröffnete und nun mehr als ein halbes Jahr zeigen will. Er ist das Resultat einer einjährigen Vorarbeit gemeinsam mit etwa 250 Kindern aus städtischen Krippen, Kindergärten und Horten. „Ihre Lieblingsbilder aus der Sammlung und ihre Ideen und Gedanken haben Eingang in die Ausstellung gefunden“, sagte Dingfelder.
Bunte Dreiecke und Kreise, Kringel und Flecken, Kleckse und Striche: Auf manchen Kunstwerken ist für einige Menschen nicht mehr zu erkennen als Gekritzel, Geschmiere oder einfach nur geometrische Formen. Kinder haben jedoch meist „einen unvoreingenommeneren Blick und sind da grundsätzlich neugierig“, erläuterte Kita-Fachberaterin Marita Sickinger. „Sie interessiert alles, was mit großen Bögen, Strichen und Ellipsen zusammenhängt.“ Erst eine fehlgeleitete Erziehung verengt den Blick auf die Vorstellung einer Abbildungsästhetik.
Das bestätigen die Kommentare von Kindern zu abstrakten Bildern in der Kunsthalle: „Das riecht so nach Kohl in diesem Bild“, und: „Das sieht aus, als wenn man aus dem Fenster guckt und dann schneit es“, lauten Bemerkungen, die an Hörstationen abgerufen werden können. Sie werden aber nicht über Kopfhörer übermittelt, sondern mit der Knochenschall-Technik: Wer einen Ellenbogen oder das Kinn auf einen der Kontaktpunkte legt und sich dabei die Ohren zuhält, vernimmt den Schall übers Innenohr. Diese Technik fördere „die Konzentration auf die Stimmen der Kinder“, so Ausstellungsgestalterin Paula Camara. Neben Vertretern der klassischen Moderne oder des Informel gehören Werke der Renaissance, der Barockzeit und des 19. Jahrhunderts zum Parcours. Komplementär dazu werden von Kindern gemalte Bilder gezeigt. (epd/taz)