: Am Anfang und am Ende gab es Pressekonferenzen
RETROSPEKTIVE „Grenzverletzer haben keine Chance“ im Babylon Mitte stellt Filme vor, die vom Bau der Mauer handeln
Es war Freitag, kurz vor sieben. Mit seinen Kolleginnen und Kollegen stand Helmuth Frauendorfer vor dem kleinen Studio des Babylon-Mitte-Kinos. Mit Zigarette, Hut und schwarzen Anziehsachen sah der stellvertretende Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen ein bisschen aus wie ein Cowboy. Ein wenig wurmte ihn das schöne Wetter, denn anstatt zur Eröffnung der Filmreihe „Grenzverletzer haben keine Chance“ zu kommen, waren viele im Freibad oder am See geblieben.
Mit der Filmreihe, die noch bis Dienstag läuft, möchte die Gedenkstätte an die Berliner Mauer erinnern. Die Stimmung war gelöst. Ein älterer Herr scherzte: „Da krieg ich jetzt aber drei Euro wieder“, nachdem er seine Kinokarte dem Kinokartenabreißer gegeben hatte. – „???“ – „Weil Sie doch ein Drittel der Karte abgerissen haben.“
Etwas mehr als 30 Leute waren gekommen. Hubertus Knabe, der Leiter der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, erinnerte in seiner Begrüßungsrede daran, dass die Geschichte der Mauer mit einer Pressekonferenz begann – als Walter Ulbricht im Juni 1961 erklärte: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen“ – und mit der berühmten Schabowski-Pressekonferenz endete. Er hob hervor, dass die größte Gruppe der Maueropfer diejenigen waren, die im Vorfeld vermeintlicher Fluchtversuche in das Stasi-Gefängnis gebracht wurden, und erinnerte noch an einen „besonders widerwärtigen Vernehmer“, der nun als Rechtsanwalt arbeitet, bevor eine Vertreterin von „defa-spektrum“ von der wechselvollen Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte des Films „Deutschland – Endstation Ost“ berichtete, mit dem die Reihe startete.
Zunächst wurde die recht freizügige Dokumentation des belgischen Regisseurs Frans Buyens gefördert; sie hätte 1964 das Leipziger Dokumentarfilmfest eröffnen sollen. Dann hatte sich die SED-Führung jedoch zerstritten; anstatt groß ins Kino zu kommen und später im sozialistischen Ausland für die DDR zu werben, wurde der Film nur wenige Male in geschlossenen Vorführungen gezeigt.
Wie viele Filme dieser Zeit beeindruckt auch „Deutschland – Endstation Ost“, der größtenteils aus Interviews mit Passanten besteht, durch ein angenehmes Schwarz-Weiß, durch einen langsamen Schnitt, der den Interviewten die Möglichkeit gibt, auch mal einen Gedanken zu Ende zu führen, und auch dadurch, dass der Filmemacher seine Rolle reflektiert. Probleme beim Aufbau des Sozialismus werden benannt; Mauerkritiker kommen zu Wort. Vermutlich, weil der Film mit der DDR sympathisiert, gingen jedoch manche Zuschauer während der Vorführung. Manchmal musste man auch ein bisschen kichern, wenn es etwa hieß, „die Autoplage gibt es noch nicht, aber die Fernsehplage wütet wie in anderen Ländern.“ DETLEF KUHLBRODT
■ „Grenzverletzer haben keine Chance“. Bis 12. Juli, Programm siehe www.babylonberlin.de